[71] [71] Leonorens Antwort:


Dasz man im Lieben nicht auf Reichthum, sondern auf die Vergnügung sehen müsze

Ich liebe nur, was mich vergnügt,

Nicht was mit Golde kirrt;

Mein freyes Herz wird nicht besiegt,

Wenn gleich der Beuthel schwirrt.

Kein goldner Strick fängt meinen Fuß, kein heller Klang mein Ohr;

Die Redligkeit

Geht allezeit

Bey mir dem Nuzen vor.


Was hilft es, wenn das Silber blizt

Und doch der Bräutgam schielt?

Ein Mann, der stets beym Kasten sizt

Und in dem Sacke wühlt,

Theilt mit dem Mammon seine Gunst, die blos der Frau gehört;

Sein Zeitvertreib

Macht, daß das Weib

Oft fremde Götter ehrt.


Kein Reichthum überwiegt das Weh,

Kein Thaler hilft der Braut,

Wenn ihr die Zwietracht in der Eh

Zulezt ein Zuchthaus baut.

Das Ungewitter ist nicht weit, wo gelbe Raben schreyn;

Wer wollte nun

So thöricht thun

Und ihm zum Schaden freyn?


Bethörter Mund, ach spare doch

Der Worte frechen Stolz!

Dein Umgang ist mir stets ein Joch,

Du selbst ein Marterholz.

Dies Wörtchen bringt mir deinen Haß, der ficht mich wenig an;

Wie bald stößt mir[72]

Was Beßers für,

Das mich vergnügen kan!


Du aber, den des Himmels Schluß

Dereinst vor mich bestimmt,

Magst glauben, daß mein reiner Kuß

Von keiner Geldsucht glimmt.

Nimm also meinen ganzen Schaz, die reine Hand voll Blut!

Ein treues Herz

Ist sonder Scherz

Das beste Heiratsgut.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 71-73.
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