Die verliebte Gelassenheit

[111] Mein Lieben schilt das faule Glücke;

Die Hofnung spricht: Gedulde dich.

Der Himmel giebt zwar saure Blicke,

Allein er zürnt nicht ewiglich;

Er kan durch unverhoftes Lachen

Die Freude desto süßer machen.


Ja, wenn nur auch die Jugend säumte!

Allein sie streicht so schnell vorbey.

Und wenn mir nur nicht stündlich träumte,

Wie schwer ein einsam Leben sey!

Man kan doch bey so bösen Tagen

Den Kummer ohne Trost kaum tragen.


Und wenn ich noch mehr wißen könte,

Vor welch ich aufgehoben bin

Und ob ihr Herz auch redlich brennte,

Denn reine Treu sucht gleichen Sinn,

Ich wollte mich zum voraus üben,

Sie als mein Theil geschickt zu lieben.


Mein Herz, verwirf dies eitle Sorgen,

Es macht dich doch nur grillenvoll;

Du weist, die Vorsicht geht verborgen

Und will nicht, daß man grübeln soll,

Damit man nicht durch blinde Räncke

Sich selbst aus Übereilung kräncke.


Ich trau, o Himmel, deiner Güte,

Auf diese kommt mein Wohlseyn an;

Verbinde mir ein klug Gemüthe,

Das treu und zärtlich küßen kan

Und das mich, wenn ich auch veralte,

In Lust und Unruh wohl verhalte.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 111-112.
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