Als sie nachgehends Übel geheiratet

[174] Bleib nur, bleib, betrogne Schöne,

Bleib nur, bleib bey deiner neuen Lust!

Vormahls traf mich dein Gehöhne

Bey den Seufzern treuer Brust;

Jezo rächstu mich an dir,

Jezo klagst und weinstu mir;

Klag und weine nur,

Falsche Creatur!

Meine Treu spricht: Weit von hier!


Kont ich dir vordem nicht taugen,

Seh auch ich dich jezt verächtlich an

Und mit eben falschen Augen,

Als du jener Zeit gethan.

Mein Verlangen war dein Scherz,

Mein Vergnügen ist dein Schmerz;

Deiner Thränen Fluth

Löscht die erste Glut

Und erquickt mein lechzend Herz.


Hastu doch dein Theil erwehlet,

Küße, was mich dich nicht küßen lies;

Diese Hölle, so dich quälet,

Ist vorwahr mein Paradies.

Deines Ehstands Trauerspiel

Zeiget meiner Wüntsche Ziel;

Wirstu jezt verlacht

Und in Angst gebracht,

Dencke, wie es mir gefiel.


Spare nur die späten Thränen,

Leide, bitte, schwöre, geh und fleuch;

Deiner Wehmuth naßes Sehnen

Macht mein Herze nicht mehr weich.[175]

Was ich dir nur wohl gethan,

Schreib ich mir zum Fehler an;

Zeigt doch schon das Weh

Deiner tollen Eh,

Was verstoßne Liebe kan.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 174-176.
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