Als er von seiner Phillis Abschied nahm

[274] Wiltu mir dein Angedencken

Nur noch mit zur Reise schencken,

Geh ich auf ein schweres Wort

Noch einmahl so freudig fort.


Solche Wunden müßen schmerzen,

Wenn die Qual zerrißner Herzen

Mit der lezten guten Nacht

Aus den Küßen Seufzer macht.


Daß ich dich ins Blut geschrieben,

Das bezeugt mein treues Lieben,

Deßen angenehmer List

Deine Freyheit dienstbahr ist.


Deiner Augen scharfe Blicke

Sind die unsichtbahren Stricke,

Die du mir ans Herz gelegt,

Das mir jezt vor Wehmuth schlägt.


Zung und Sprache stockt im Munde,

Da des Abschieds schwere Stunde

Wie ein Schlag von Donner klingt

Und mich mit Verdruß umringt.


Ach, was werden meine Sinnen

Vor Gefahr und Angst gewinnen,

Wenn mich dein entfernter Geist

Nur mit bloßen Träumen speist.


Unterdeßen muß ich leiden,

Was mir Glück und Zeit bescheiden;

Dieser Schmerzen und Verdruß

Hat den ganzen Trost: Ich muß.
[275]

Ja, ich muß, doch wider Willen;

Halt dich also nur im Stillen

Und erwarthe, bis ein Tag

Unsre Liebe crönen mag.


Bis mich Sarg und Staub umfangen,

Bleibt nur Phillis mein Verlangen,

Und die Dauer meiner Treu

Schläft mir noch im Grabe bey.


Läst auch du dich nicht verführen,

Soll mich diese Grabschrift zieren:

Dieses hier verscharrte Blut

Hegt noch in der Asche Glut.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 274-276.
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