Lob des Knastertobacks

[295] Nahrung edler Geister,

Aller Sorgen Meister,

Du mein Element,

Was man jezo Knaster nennt,

Komm und las die müden Sinnen

Wieder Ruh gewinnen!


Auf dem Erdenkreise

Kommet deinem Preise

Kein Geträncke gleich;

Auch der Ärzte drittes Reich

Flicht dich, deiner Kraft zu Lohne,

Um Hygaeens Crone.


Nach den Lorbeerreisern,

Die vor allen Kaysern

Unsern Carl erhöhn,

Soltu über alles gehn,

Was aus Erd und Wurzel steiget

Und den Gipfel neiget.


Deine Kraft und Stärcke

Macht durch Wunderwercke

Allen Kummer zahm;

Misgunst, Furcht, Verdruß und Gram

Fliehn, so bald ich dich empfinde,

Schneller als die Winde.


Deine Tugend heilet,

Deine Macht ertheilet

Und gebiehrt die Ruh;

Will der Schlaf nicht bald herzu,

Kan ich ihn mit deinen Wafen

Bald ins Zimmer schafen.
[296]

Kommt der lichte Morgen,

Bringt der Tag die Sorgen,

Macht der Mittag warm,

Stüz ich ruhig Kopf und Arm

Und gebrauche deiner Kräfte

Edle Nectarsäfte.


Die dich nicht vertragen

Und zum Schimpfe sagen,

Du verderbst die Luft,

Mögen in des Schinders Gruft,

Ja zum Teufel selber kriechen

Und was Beßers riechen.


Kommt ein junges Häschen

Mit dem weißen Näschen,

Das nach Biesam stinckt,

Soll es, wenn es dich verdringt,

In den aufgerollten Haaren

Glut und Dampf erfahren.


Wer dich gar nicht brauchet

Und nicht stündlich schmauchet,

Ist des Mauls nicht werth,

Weil er die Natur verkehrt

Und die Gaben, die dich zieren,

Niemahls will probieren.


Las die Canzeln schmählen,

Ihre Diener fehlen

Und betriegen sich,

Wenn sie, theurer Knaster, dich,

Da sie dich nicht brauchen können,

Teufels Abbiß nennen.


Andre mögen sizen

Und die Lippen spizen,[297]

Bis ihr Mägdgen will;

Gelt, du hältst mir immer still

Und vermehrest meine Plagen

Durch kein Hörnertragen.


Las den eckeln Frauen

Vor dem Dampfe grauen!

Die, so klüger sind,

Sprechen: Allerliebstes Kind,

Mich ergözet deine Pfeife,

Die ich selbst ergreife.


Rom verbrannte Leichen

Auf den Zimmetsträuchen;

Muß ich von der Welt,

Hab ich schon voraus bestellt,

Daß die Lauge deiner Asche

Meinen Cörper wasche.


Held, vor deßen Schwerdte

Stambol rückwärts kehrte,

Ewiger Eugen,

Will dein Bliz durch Ungarn gehn,

Ey, so las doch nur der Bohnen

Und des Knasters schonen.


Pursche fangen Grillen;

Aber wenn sie füllen

Und die Pfeifen glühn,

Muß der Schmerz so weit entfliehn

Als die Span'sche Degenklinge

Vor dem tapfern Binge.


Rosmarin und Nelcken

Schwinden, wenn sie welcken,

An Gefälligkeit;

Du gefällst zu jeder Zeit,[298]

Denn dein Ruhm gedörrter Blätter

Grünt durch alle Wetter.


Sind uns unsre Wahren

An den Fels gefahren

Und ins Meer versenckt,

Brüder, last euch ungekränckt!

Blätter, so die Mohren rösten,

Können wieder trösten.


Epheu crönt Poeten;

Doch um meine Flöthen

Soll Tobackskraut blühn.

Brüder, macht euch zum Camin

Und verjagt mit diesem Pfeile

Eure lange Weile!


Hört den Winter rasen,

Hört den Nordwind blasen,

Hört, er pfeift und fährt!

Kommt, wir wollen um den Herd

Seinem kalt- und stolzen Wüten

Ruhig Troz gebiethen.


Wollt ihr Ländern rathen,

So verpflügt die Saaten,

Haut die Wälder aus,

Macht uns ein Tobacksfeld draus,

Und verzäunt es mit den Reben,

Die uns Freude geben!


Top, es leben alle,

Die bey diesem Falle

Der Toback ergözt!

Drum, ihr Brüder, raucht und nezt,

Bis der Blick vom andern Tage

Uns zu Bette jage!
[299]

Junge, schneide Knaster!

Dieses Lebenspflaster

Ist ein Polychrest.

Dem, der uns nicht rauchen läst,

Soll an Statt der Nerv- und Flachsen

Ein Tobacksstrunck wachsen.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 295-300.
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