Als er sich zur Gelaszenheit bey seinem Verhängnüsze resolvirte

[15] Immer sich gelaßen weisen

Trift nur bey der Großmuth ein,

Und des Himmels Schicksahl preisen,

Es mag noch so seltsam seyn,

Sind zwey solche Wundersachen,

Die uns alles leidlich machen.


Es sind nur gemeine Blätter,

Die man bald verwelcken sieht,

Wenn das warme Sommerwetter

Kaum von ihrer Gegend zieht,

Da uns doch mit tausend Freuden

Andre stets die Augen weiden.


Geister, die vom Himmel stammen

Und die Tugend edel macht,

Sezen Freud und Leid zusammen,

Weil ihr beides zugedacht

Der, den wir mit unsern Sinnen

Nimmermehr begreifen können.


Worzu nüzt das viele Dencken,

Wenn uns alles widrig geht,

Als daß wir die Sinnen kräncken,

Da doch nichts zu ändern steht;

Denn was Gottes Rechte schließen,

Wird man stets erdulden müßen.


Rosen in der Welt zu brechen,

Wo wir uns nicht dörften scheun,

Daß uns keine Dornen stechen,

Wird wohl was Unmöglichs seyn;

Denn dergleichen Rosensträuche

Wachsen nur im Himmelreiche.
[16]

Drum, du Schaz von allen Schäzen,

Edelste Gelaßenheit,

Du solt mich auch noch ergözen,

Und wenn alle Grausamkeit

Durch Verhängnüß hier auf Erden

An mir wollte Meister werden.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 15-17.
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