Dancksagung vor göttliche Züchtigung und Langmuth

[96] O Gott, du bist doch nichts als Güte,

Ich hab es tausendmahl erkand,

Doch hat sich mein verstockt Gemüthe

Noch niemahls recht zu dir gewand.

Ich lief und häufte Sünd auf Sünden,

Als wollt ich gar kein Ende finden.

Dein Eifer schwieg und lies mich gehn;

Jezt stund ich würcklich auf dem Falle,

Da kommstu mit dem Donnerknalle

Und zwingst mich mit Gewalt, vom Unglück aufzustehn.


Warum verlies mich nicht dein Herze,

An das ich doch so spät gedacht?

Ich brauchte stets dein Wort zum Scherze,

Das jezt den Glauben kräftig macht;

Sein Geist bewegt die harten Sinnen

Und macht, daß Herz und Auge rinnen.

O Herr, das ist ein Gnadenquell,

Denn dadurch weis ich vor die Sünden

Ein Bad der Reinigung zu finden,

Und auf dergleichen Guß wird Glück und Himmel hell.


Ich dancke dir vor meine Zähren

Und vor der Seelen Angst und Leid,

Ihr Ernst entdecket mein Bekehren

Und würcket mir zur Seeligkeit.

Verschonen war die gröste Strafe,

Ich hätte bey dem Lasterschlafe

Gewis den lezten Tod erlebt.

Die Noth erscheint zur rechten Stunde

So wie ein Arzt durch Blut und Wunde

Die eußerste Gefahr mit kleinen Schmerzen hebt.


Von nun an soll auch Ernst und Buße

An guten Wercken fruchtbahr seyn.[97]

Herr, gönne dem erlösten Fuße

Noch weiter Wort und Weg und Schein;

Stehst du nicht überall zur Seiten,

So muß er augenblicklich gleiten;

Wir wandeln zwischen Nez und List.

Ich weis, du wirst in allen Sachen

Auch vor mein endlich Wohlseyn wachen,

Dieweil du darum Gott und unser Vater bist.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 96-98.
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