Als er beynahe ungeduldig werden wollte

[110] Der Mensch ist nicht von Stahl, und Fleisch und Blut muß sincken,

Wenn Unruh und Gefahr uns in die Länge stäupt:

Ich seh die Ungedult auf allen Seiten wincken,

Ich mercke, daß der Trost auf ewig außen bleibt.

Ihr Seufzer macht vergebens

Mund, Herz und Glieder matt,

Ich bin des armen Lebens

So wie der Wüntsche satt.


Und was erwarth ich hier? Fast stündlich neue Sorgen.

Denn redlich gilt nicht mehr, die Welt ist schlimm und roh.

Der Reiche schwelgt und trozt, der Arme schwizt vom Morgen

Bis in die späte Nacht und wird es doch nicht froh.

Viel wuchern mit den Sünden

Und haben Lohn davon;

Ich mag mich drehn und winden,

Der Undanck bleibt mein Lohn.


Doch halt, besorgtes Herz, den feigen Fluch zurücke,

Die Kleinmuth stellt dir nur das Unglück größer vor:

Es hat ein jeder Mensch sein eignes Creuz und Glücke,

Wer seins am grösten schäzt, der handelt als ein Thor.

Der Vorsicht weises Fügen

Betrübet und ergözt;

Wohl dem, der sein Vergnügen

In ihren Rathschluß sezt.


So lang ein Puls noch schlägt, ist Hofnung zum Genesen,

Wer niederträchtig weint, ist keiner Hülfe werth;

Gedult läst mit der Zeit von Dornen Feigen lesen

Und mindert nach und nach, was Seel und Leib beschwert.

Der Abend aller Tage

Bricht wohl noch nicht herein;[111]

Jezt rase Sturm und Plage,

Es wird nicht stets so seyn.


Du Himmel, kennst mein Herz, es liebt dich auch im Strafen.

Schlag, nimm mir alles weg und wirf mich hin und her!

Nach Arbeit, Müh und Schmerz erfolgt ein süßes Schlafen,

Und wenn es eher nicht als in dem Sarge wär.

Dein Wille ist mein Glücke,

Die Hofnung meine Ruh;

Der Erdkreiß brech in Stücke,

Ich seh mit Großmuth zu.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 110-112.
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