Die seufzende Gedult

[112] Morgen wird es beßer werden,

Also seufzt mein schwacher Geist,

Den die Menge der Beschwerden

Überall in Abgrund reißt.


Aber ach, wenn bricht der Morgen

Und das Licht der Hofnung an,

Da ich die so langen Sorgen

Nach und nach vergeßen kan?


Sclaven auf den Ruderbäncken

Wechseln doch mit Müh und Ruh,

Dies mein unaufhörlich Kräncken

Läst mir keinen Schlummer zu.


Niemand klagt mein schweres Leiden,

Dies vergrößert Last und Pein.

Himmel, las mich doch verscheiden

Oder gieb mir Sonnenschein.


Will ich mich doch gerne faßen,

Wenn mich nur der Trost erquickt,

Daß dein ewiges Verlaßen

Mich nicht in die Grube schickt.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 112-113.
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