Das ruhmwürdige Verdienst der von dem hochedlen und hochgelahrten Herrn Johann Gottfried Hahn von Schweidniz aus Schlesien in Leipzig, den 27. October A. 1717. öffentlich erhaltenen Hohen Doctorwürde

[50] Sallustius:

Falsò queritur de natura sua genus humanum, quod imbecille atque aevi brevis sorte potius quam virtute regatur.


Ich weis in Warheit nicht, ob mich Crispin behext,

Daß mir, hochedler Hahn, da du dein Glück erweckst,

Der Kiel so schläfrig geht und die verdroßnen Saythen,

So scharf ich sie gespannt, kein helles Werck bereiten.

Sonst klingt es von sich selbst, sonst spielt es sich mit Lust,

Wenn du dem Liede Zeug und Zunder geben must.

Man freut sich auf dein Ohr als auf den besten Richter,

Und du verstehst es nur, worinnen sich der Dichter

Des Nahmens würdig macht. Du siehst den Nachdruck ein,

Den unsre Kunst versteckt. Du prüfst den ächten Schein

Und den erhabnen Schmuck und der Jubelen Güte,

Womit Euterpe prahlt. Du feurest das Gemüthe

Durch ein von Lieb und Neid befreytes Urtheil an,

Woraus sich der Poet so sehr ergözen kan,

Als er sich sonst betrübt und in der Seele kräncket,

Wenn keiner Achtung giebt, wie schön sein Vers gedencket.

Wie aber kommt es nun, daß mich dein Ehrenfest,

Gelehrt- und kluger Freund, so lang im Stiche läst?

Ich stimme Flöth und Darm, ich ändre Text und Weisen

Und schelt auf meinen Kiel, an statt dein Lob zu preisen.

Die Leyer klingt verstockt, der Finger schlägt mit Qual,

Als spielt er, Gott behüt's, das allererste Mahl,

Da er doch oft so schnell als der geschlagne Haufen

Des wilden Solymanns vor dem Eugen gelaufen.

Da siz und warth ich auf, da laur ich in die Nacht

Wie das verschnidtne Volck, sobald der Donner kracht,[51]

Und weis, daß ich mehr Trost von einem Worte nähme

Als wohl kein Isaschar, wenn sein Meßias käme.

Gewislich, zög ich gleich der Musen Lautenchor

Nur alle Jubeljahr aus Sand und Staub hervor,

So dürfte dennoch mir das ungewohnte Singen

Nicht widerspenstiger noch ungereimter klingen.

Verdreust dich's, daß mein Kiel auf einer Leyer bleibt,

So gieb mir den Bezug, der fein sich selber treibt.

Du siehst, das Blat wird voll und Phoebus nichts gelinder.

Schau nur die Zeilen an, die ungerathnen Kinder.

Nicht eins gehorcht mir recht. Und schlag und zwing ich sie,

Muß man in Sorgen seyn, daß ich nur Krüpel zieh.

Das aber stünde schön, wenn ich so thöricht hieße

Und Krumm- und Lahme dir ein Ständchen bringen ließe.

Ja, nun errath ich erst der Muse Schwürigkeit.

Sie stickte, seh ich wohl, dir gern ein Ehrenkleid,

Sie thät und stickt es dir mit ungezwungnen Händen

Und würd auch Schlaf und Ruh auf solchen Fleiß verschwenden.

Nur schröckt sie dieses ab, daß Heucheley und Schein

Dem heutigen Parnaß gemeine Gäste seyn

Und daß, o Schimpf vor uns, so viel gereimte Lügen

Von Köpfen ohne Wiz nach Famens Tempel fliegen.

Hier mißt man kein Verdienst, man lobt, man rühmt, man singt,

Weil es Befördrung, Geiz und Mode mit sich bringt,

Und Phoebus, den so viel mit Zetteln überrennen,

Braucht ein Vergrößrungsglas, die Würdigsten zu kennen.

Da wird ein Lorbeerkranz dem albernen Casill

(Dem, weil des Glückes Scherz die Welt betriegen will,

Sanct Görgens güldnes Schwerd gelehrten Rang erfochten,)

Um das mit Grüz und Spreu erfüllte Haupt geflochten

Und seine Wißenschaft, die ihm das Geld verliehn,

Vors achte Wunderwerck dem Pöbel vorgeschrien,

Ob ihm gleich Puls und Herz vor Scham und Schröcken schlagen,

Wenn ihm sein Amt befiehlt, den Schülern vorzutragen.

Die Tugend rühmt sich selbst, ihr Dacht brennt ungetränckt.[52]

Was dir, gelehrter Hahn, dein eignes Vortheil schenckt

Und du dir selbst verleihst, das darf kein Schmeichler dichten:

Die Falschheit miethet Lob und kauft den Zeitgeschichten

Das Ohr der Nachwelt ab. Allein sie lauft Gefahr,

Und der gerechte Tag macht endlich ofenbahr,

Was ihre List bedeckt, was ihr Betrug verheelet;

Denn Warheit ist ein Leib, den erst die Zeit beseelet.

Auch damit, theurer Freund, versorgt und stärckt mein Kiel

Die Ehre deines Ruhms, und du gewinnest viel,

Daß so ein Mensch als ich, der dir verbunden heißet,

Sich nimmer untersteht und auf dein Lob befleißet.

Denn was man Rühmliches aus seinem Gönner macht,

Bringt ihn so gut als uns bey Leuten in Verdacht,

Und Tittel, welche wir von Dienern hören müßen,

Bedeuten fast so viel als trunckner Freunde Küßen.

Bewundern mag ich doch, was ich nicht rühmen darf.

Als ehmahls die Natur ein nettes Bild entwarf

Und in den Vordersaal der Himmelsbürger sazte,

War niemand, welcher nicht von seiner Schönheit schwazte.

Die Götter wüntschten es ein jeder nur vor sich,

Und alle sagten so: Darinnen seh ich mich.

Sie rißen bald darnach, sie zanckten um die Wette,

Und jeder meinte fast, daß er das Vorrecht hätte.

Bald nahm es Juno weg, bald schlug's ihr Phoebus ab,

Dem es Gradiv entriß und seiner Buhlin gab,

Die nach der Kammer sprang und es verstecken wollte,

Damit sie der Adon nicht mehr betrüben sollte.

Minerva schlich ihr nach und fast es hinterwärts,

Und beide schmißen sich und mengten Ernst in Scherz,

Bis die Vollkommenheit dem Streit ein Ende machte

Und dies ihr Conterfey zu sich nach Hause brachte.

Hier ziert es, wie man sagt, Hygeens Heiligthum.

Die Fabel, edler Freund, geht noch im Himmel um

Und lehrt, wie mich bedünckt, dein Beyspiel auf der Erden,

Dem Weißheit, Glück und Stand und alles dienstbahr werden.

Wie wenn ein dickes Feld viel Blumenarten zieht,

Worauf, sieht eine schön, die andre schöner sieht,[53]

Das Aug in Zweifel steckt, welch unter solcher Menge

Der andern Fürstin sey, so hält auch das Gedränge

Von deinen Tugenden des Urtheils freyen Lauf.

Dein Ruhm ist immer gleich: Daß du von Jugend auf

Mit der Bescheidenheit dem Hochmuth ausgewichen,

Daß dir der erste Brey den Hunger eingestrichen,

Der sich nach Weißheit sehnt, daß du das Morgenroth

An Munterkeit beschämt, daß dir die Pleiße both,

Was du vorlängst verdient, daß zwo Cathedern wißen,

Was sie dereinst von dir vor Zulauf hofen müßen,

Ja, daß du – doch wie weit verliert sich mein Bemühn?

Will ich ein starckes Heer in enge Glieder ziehn?

Dies alles, sag ich, kan dein Wüntschen nicht erfüllen,

Du eilest über dich, du weiterst deinen Willen

Und breitest Sinn und Ruhm. So macht's ein edles Pferd,

Sobald sein Herr von ihm den ersten Rang begehrt.

Es schäumt, es brennt, es schnaubt, erinnert selbst den Zügel,

Läst alles hinter sich, erhält vom Lobe Flügel

Und eilt und drabt und rennt, bis es das Ziel erreicht.

So schleunig wächst die Saat, sie schost, sie blüht, sie bleicht

Und füllt die Scheuren an. Dein Fleiß hält jezund Erndte

Und macht die Hofnung voll. O, daß die Faulheit lernte,

Wie gut es möglich sey, den kurz genoßnen Rest,

Den das Verhängnüß uns zum Leben überläst,

Durch nüzlichen Gebrauch mit Wucher anzubringen,

So würd ihr altes Lied nicht mehr so thöricht singen

Noch die Natur beschreyn, als komm aus ihrer Hand

Ein unsrer Menschligkeit gemeiner Elendsstand.

Ich dächte, theurer Freund, man säh aus deinen Sachen,

Wie unrecht wir den Schluß der Schickung grausam machen.

Hygea, schicke dich und cröne diesen Sohn

Des Priesters, den du liebst. Den Vater siehstu schon,

Eh er noch einmahl stirbt, in ihm gedoppelt leben;

Du magst ihm folglich wohl den Seegen zweyfach geben.

Hochedler Musenfreund, das Opfer ist vollbracht,

Wodurch die Redligkeit sich dir zur Magd gemacht.

Verschmäh den Weihrauch nicht, er ist nicht rein gelesen[54]

Und, da ich's recht beseh, nur Fiedelharz gewesen.

Mein Phoebus liegt noch kranck, ich hab ihn in der Cur

Und will ihm nach und nach die schwülstige Natur,

Die seine Jugend plagt, aus Blut und Gliedern treiben,

Wo anders Müh und Schweiß, so wie die meisten schreiben,

Die Waßersucht verjagt. Wird er nur erst gesund,

Das ist: gelückt es ihm, die Minen und den Grund,

Worein die Poesie der Römer und der Griechen

Den reichsten Schaz vergräbt, von neuem durchzukriechen,

So wird er, wenn sein Reim mit wahren Schlüßen weist,

Daß unsre Singekunst kein bloßes Spielwerck heist,

Vor dich, gelehrter Hahn, in den berühmten Linden

Des schönen Rosenthals noch manche Ceder finden.

Behalt ihm nur die Gunst von deiner Liebe vor

Und gönne seiner Lust ein unpartheysches Ohr,

Damit Verdruß und Neid in diesen schlechten Tagen

Ihn, eh er leben lernt, nicht in die Grube tragen.

Wer Ärzte seegnen will, der wüntsche Gift und Pest.

Hingegen, da es mir die Schrift verbiethen läst,

So wüntsch ich, daß nechst dir des großen Vaters Liebe,

Da man nicht ewig lebt, die Enckel spät betrübe.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 3, Leipzig 1934, S. 50-55.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gesammelte Gedichte
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Gedichte Von Johann Christian Günther (German Edition)

Buchempfehlung

Dulk, Albert

Die Wände. Eine politische Komödie in einem Akte

Die Wände. Eine politische Komödie in einem Akte

Diese »politische Komödie in einem Akt« spiegelt die Idee des souveränen Volkswillen aus der Märzrevolution wider.

30 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon