Sonnet an eben denselben

[61] Gedächt auch die Natur, du aller Musen Lust,

Mir jeden Augenblick mehr Herzen zu vermehlen,

Als Seufzer herber Noth jezt meinen Zustand quälen,

Als Worte deine Treu vor meinen Trost gewust

Und als ich Fehler zieh, die du ertragen must,

Doch seh ich zum voraus, du würdest alle stehlen,

Und ich behielte nichts als ein vergeblich Zehlen

Und eine durch den Raub mit Lieb erfüllte Brust.


So pflegt die Redligkeit mit ihrer Gunst zu fangen.

Behalt, mein Jonathan, mich ewig in Verhaft,

Weil diese Sclaverey der Weisen Freyheit schaft,

Mit der mir dein Verstand so eifrig nachgegangen.

Die Warheit schreib es auf: Bricht unsre Freundschaft ein,

So mag wohl Pylades ein griechsches Mährchen seyn.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 3, Leipzig 1934, S. 61-62.
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