An eben dieselbe

[87] Die Misgunst kam zur Poesie

Und sah ihr höhnisch ins Gesichte:

Nun, sprach sie, gieb dir weiter Müh,

Daß deine Mariane dichte;

Geh, stecke Brust und Sinnen an,

Ich will die Flamme bald ersticken,

Dieweil ein Strahl von meinen Blicken

Die ganze Lust versalzen kan.


Schweig, sprach die Poesie im Zorn,

Wenn Frauen Wiz und Weißheit zeigen,

Ist's Männern leicht ein Augendorn.

Was schadet Marianens Schweigen?

Ich seh, man stiehlt mir ihre Gunst,

Sie soll mich haßen und verschwören;

Sie thut es, doch mit Zwang und Zähren,

Ach, Ehre gnug vor meine Kunst!

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 3, Leipzig 1934, S. 87-88.
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