An seinen hochgeneigten Gönner

[174] Du Joseph meiner theuren Zeiten,

Du Vater meiner Poesie,

Freund, deßen Ruhm ich mit den Saythen

In Abgrund später Jahre zieh,

Bisher kont ich noch nicht ermeßen,

Was ich vor ein Geschöpfe sey,

Jezt, da ich so dein Herz beseßen,

So zehl ich mich den Geistern bey.


Auch niemand wird hier anders dencken,

Wer nur ein wenig Achtung giebt,

Wie dein so reich- als öfters Schencken

Die Danckbarkeit der Musen übt.

Die Großmuth giebt sich niemahls müde

Und kommt der Bitte selbst zuvor,

Wenn ich zwey lahme Verse schmiede,

Dergleichen Bavius verlor.


Du must von königlichem Blute

Und edler als Mäcenas seyn.

Er that dem Flaccus viel zu Gute,

Du nimmst mich mit der Wohlthat ein.

Horaz verdiente noch die Gnade,

Weil sie des Dichtens Preis erhält,

Allein um deine Huld ist's schade,

Weil sie auf keinen Würdgern fällt.


Was ich nicht bin, das will ich werden,

Die Fähigkeit nehm ich von dir.

Dein Mund soll mir ein Phoebus werden,

Sein Lob erhizt die Ruhmbegier.

Dein Umgang flügelt Fleiß und Sinnen

Und greift mich mit Versuchung an,

Bis ich dein Bildnüß auf die Zinnen

Des Ehrentempels sezen kan.[175]

Hab ich nicht fürstliche Patronen,

So ehr ich dich als meinen Fürst.

Darf ich in keinem Louvre wohnen,

Gnung, daß du mich beschatten wirst.

Die Hoheit liegt nicht an dem Stande,

Dein groß- und heldenmüthger Geist

Zeigt manchen Seelen ihre Schande,

Die unsre Welt durchlauchtig heist.


Auf, Fama, schmücke deinen Wagen,

Spann ihn an meinen Pegasus,

Den edlen Freund dahin zu tragen,

Wo ihn die Sonne neiden muß!

Solang ein Blat von meinen Büchern

Das Lob der künftgen Zeit erlebt,

So [lange] will ich ihn versichern,

Daß er im achten Kreiße schwebt.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 3, Leipzig 1934, S. 174-176.
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