[Mein Freund, du kennst mich schon und weist, ich lebe frey]

[178] [178] Auf die Gleditsche Nachhochzeit in Leipzig sandte dieses der kleine Vetter.


Mein Freund, du kennst mich schon und weist, ich lebe frey

Und will auch, daß mein Vers mir diesmahl ähnlich sey

Und dir, doch im Vertraun, bey deiner neuen Plage,

Was ist der Ehstand sonst? die deutsche Warheit sage.

Ich kämme keinen Bart, den Brabands Elle mißt,

Ich habe Fieckchen noch den Nabel nicht geküst,

Viel minder den Decan ums Violet belogen,

Und dennoch komm ich hier mit Weißheit aufgezogen.

Mit Weißheit? Ja, mein Freund, dies Eigenlob hat recht.

Denn da dich, wie es scheint, die Lieb an Einsicht schwächt,

So muß ich klüger seyn und dich in etwas lehren,

Daß Mägdgen unsrer Zeit zur Litaney gehören.

Was Hencker ficht dich an? Du freyst das andermahl,

O ist kein Brunnen mehr zur Rettung deiner Qual?

O halt! Hier hastu Geld zu einem Pfennigstricke,

Viel beßer Leich als Mann, da Ehstand und Gelücke

Nicht eh zusammenkommt, als bis die güldne Zeit

Von neuen sich erbarmt und gute Frauen schneidt

Und bis sich nach und nach das Recipe verlieret,

Wodurch man Haut und Brust und Adams Fleck curiret.

Ein Thier kommt nicht mehr hin und nimmt sich da in Acht,

Da, wo es schon der Koch um Haut und Schwanz gebracht.

Kein Füchschen ist so jung und läst sich zweymahl prellen,

Der Mensch ist alt und klug und plagt sich noch mit Schellen;

Denn was uns Lieb und Eh vor Furcht und Unruh bringt,

Wie Juvenal, Despreaux und auch Philander singt,

Das list man überall, das läst sich jezt noch greifen,

Wenn Frauen ihren Kopf so wie die Röcke steifen

Und wenn ihr stolzer Zorn oft auf den Moses kracht,

Dieweil sein erstes Buch den Mann zum Herren macht,

Als könten sie auch nicht befehlen und regieren

Und mit geschickter Hand das schwere Scepter führen.

Ich glaub es, aber doch nur in der kleinen Welt.[179]

Spricht jemand, daß mein Geist sein Wort auf Schrauben stellt,

Der nehme den Beweis und schlendre durch die Gaßen,

Die Wiz und Schönheit rühmt und Neid und Misgunst haßen,

Und trift er ja darin zehn treue Mägdgen an,

Auf deren Herz man sich gewis verlaßen kan,

Ja, wenn auch gleich die Zahl nicht mehr Personen machte,

Als Loth vor jener Zeit aus Sodoms Unglück brachte,

So will ich, könt ich wohl gerecht- und beßer seyn?

(Es schlag auch Hohn und Haß und Bliz und Dorchen drein!)

Mein ungewaschnes Maul nachdrücklich zu bestrafen,

Der Ältesten davon genau zur Seiten schlafen.

Die spröde Caelia tractirt die Pursche so,

Als wär ihr Rittergut ein Gut in Folio.

Sie thut ich weis nicht wie, der Franzmann nennt es fade;

Doch weil wir Deutsche sind, so sprech ich nur: O Schade,

Daß doch zu unsrer Zeit der arge Nickel-List

Zu seiner Rache nicht auf ihrem Mäulchen ist!

Sie würd ihn warlich mehr als Strick und Leiter rencken

Und bald nach Ost und West wie auf der Folter schwencken.

Ihr flämisches Gesicht ist wie der Spizenkram,

Aus deßen Fächern nechst ein Dieb die Wahren nahm,

Und so verrieth sie oft die selbstgemachten Falten,

Als ob die Einfalt längst darinnen Haus gehalten.

St! St! Sie spizt das Ohr. Was Neues aufs Tapet:

Dort kommt ein schwarzer Pfau in bunter Majestät

Und drechselt Aug und Fuß: Bonjour, ma precieuse.

Ihr Leute, lacht doch nicht, sonst wird der Afe böse;

Jezt bricht ohndem die Zeit der Gallenfieber ein.

O sollt ein jedes Haar hier eine Zunge seyn

Und von der nechsten Nacht die stumme Kurzweil beichten,

Die Thränen würden gleich des Hochmuths Anstrich feuchten.

So machts die Heucheley: Bey Tage läst sie keusch,

Doch kommt die Dämmerung, so stürmt sie in ihr Fleisch

Und fragt den Liebsten oft, warum er nichts vermöge,

Und wirft ihm gar wohl vor, er sey gewis von Pöge;

Denn Frauen lieben Stünds. Wo bleibt denn Flavia,[180]

Die noch vor kurzer Zeit den Schaz im Spiegel sah

Und, weil ihn ihr ein Stoß geschwind entführen sollte,

Den Dolch, versteht mich recht, selbst lieber fühlen wollte.

Noch ein Spanelchen lacht, dies ist ein flattricht Kind,

Gemüth und Leib ist gut, nur Fleisch und Blut sind blind

Und küßen einen Tropf, der durch der Boßheit Sitten

Ihr Ehr und Farb und Scham ein Jahrlang abgeschnidten;

Sie käme noch ans Bret, und gienge sie was ein,

So könt ihr Leben noch auf Erden glücklich seyn,

Sofern sie ihren Wiz geschickt zu brauchen wüste

Und nicht der Eitelkeit des Pöbels folgen müste.

Sie wehle, was sie will, vielleicht kommt noch die Zeit,

In welcher ihr Verstand den Unbestand bereut.

Man gönnt es ihr zwar nicht, doch läst sie sich nicht rathen,

So mag sie immerhin an armen Rittern brathen.

Die kleine Fuscia vermißt den schwachen Mann,

Und da ihr hizig Blut sich nicht mehr zwingen kan,

So hat sie etwas recht, die Vetterin zu dingen,

Um ihrer schweren Zeit zween Tröster nachzubringen.

Nun, werther Bräutigam, nun wundert mich nicht mehr,

Warum du weiter ziehst, warum du dein Gehör

Nicht den Syrenen lehnst, die bey verführten Zeiten

Die liebe Jugend jezt weitläuftig tief verleiten.

Jezt führ ich mit Bedacht den ersten Saz nicht aus;

Denn schrieb ich weiter fort, so dürft ich wohl die Laus,

Die jezt im Grinde steckt, gar auf die Leber jagen

Und, was mir Haß gebiehrt, aus Übereilung wagen.

Vergieb mir nur allhier, ich bin wie Persius,

Bey deßen Worten man zehn Stunden sinnen muß.

Es ist die Mode so, wir leben wie die Sbirren

Und wie Talanders Kiel, die stets den Zweck verwirren.

Ich tadelte zuerst den Einfluß in der Eh

Und schalt den Liebesstand vor Eitelkeit und Weh;

Doch da du, wie ich seh, die Wahl so gut getrofen,

So darf mein Wiederruf des Frevels Ablas hofen.

Du suchtest sächsisch Blut und woltest doch dabey,

Daß deßen Hize noch in etwas milder sey;[181]

Drum ist die kalte Luft in jenem harten Norden

An deiner schönen Braut auch dir zu Diensten worden.

Vergleicht ein Dichter sonst die Jungfern und ein Tuch,

So halt ich ebenfalls dein Liebstes vor ein Buch;

Die Auflag ist vor dich, erweck ihr das Vergnügen

Und las sie nicht, wie viel die Biebel, müßig liegen.

Sie ist ein nettes Werck, den Anhang giebt dein Kuß,

Der Herz und Geist und Mund zusammenheften muß.

Du magst es durch den Druck der Zärtligkeit verlegen,

Der Vater giebt mit ihr der alten Freundschaft wegen

Den schön und andern Theil der Genealogie.

Versuche, was du kanst, und mache, daß er früh

Vermehrte Zeugen seh. Dies wüntscht mein schnelles Dichten.

Die Fehler meines Reims wird deine Güte richten.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Leipzig 1935, S. 178-182.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gesammelte Gedichte
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Gedichte Von Johann Christian Günther (German Edition)

Buchempfehlung

Naubert, Benedikte

Die Amtmannin von Hohenweiler

Die Amtmannin von Hohenweiler

Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.

270 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon