[Getreuer Lehrer, nimm hiermit]

[206] [206] An Herrn M(agister) G(ottfried) B(althasar) S(charff), einen hochverdienten Lehrer in S(chweidniz)


Getreuer Lehrer, nimm hiermit

Den schlechten Danck von armen Händen;

Denn da mich alles niedertritt,

So kan ich nichts als Worte senden.

Nur Worte? Nein, das Herz dabey,

Das Herz, in dem sich Groll und Reu,

Verzweiflung, Haß und Rachlust schlagen,

Da fremder Neid und eigner Sinn

Dem, deßen Fleisch und Blut ich bin,

Den Vater aus dem Herzen jagen.


Verwegenheit thut ofters mehr,

Zumahl bey schon verderbtem Leben,

Als wenn wir der Vernunft Gehör

Und fauler Klugheit Zutritt geben.

O hätt ich dies nur längst gethan!

Es kommt doch auf die Vorsicht an,

Die unsern Sinn nothwendig lencket.

Vielleicht verfolgt ich jezt die Schaar,

Die mich bey eußerster Gefahr

So sinnreich mit Verleumdung kräncket.


Nun mag ich dich mit Hülf und Rath

Und um kein Mitleid mehr beschweren.

Dies bitt ich: Wird mir eine That

Des Pöbels Haß und Fluch gebähren,

So rede weder schlimm noch gut

Und schäze nur mein redlich Blut.

In übrigen Gewißenssachen

Darf doch kein andrer vor mich stehn.

Wem Fluthen durch das Stoßbret gehn,

Der muß Verlust zu Vortheil machen.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Leipzig 1935, S. 206-207.
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