Musicalisches Abendopfer, als der hochedle Herr Christian Kluge von ihro römisch. kayserl. Majestät mit der Charge eines kayserl. Commercien-Raths über das Landeshuttische Weichbild begnadiget wurde

Hochedler, hochzuehrender Gönner!

Die Actienklage ist jezo am Parnaße so gemein als in den französischen Zeitungen; und meine Muse hat sich noch nie in dem Stande befunden, den Schuz ihrer Mäcenaten mit etwas Wichtigerm als papierner Münze zu bezahlen. Indeßen, da die Klugheit einem ehrlichen Gemüthe erlaubet, aus der Noth bisweilen eine Tugend zu machen, so trage kein Bedencken, Ihnen, hochzuehrender Gönner, vor die bald anfangs mir als einem Fremden erwiesene Güte und Höfligkeit ein Zeichen meiner Erkäntligkeit durch gegenwärtige Blätter vorzulegen. Es ist eine Arbeit, deren Werth einzig und allein auf Dero Wohlgefallen und meine gute Meinung ankommt. Die Tadelsucht wird hierinnen ohnfehlbar viel auszumustern finden und mich, der ich ohnedem den Leuten bald zu nahe trete, mit einer höhnischen Miene fragen, was denn diese ungewöhnliche Reimerey bedeute und warum hier mein Poetengaul in so genannten Recitativen nicht auf dem italienischen Gleise geblieben. Die gründliche Antwort auf diesen Vorwiz verspare bis zu gelegener Zeit und sage vorjezo und kurz: Es gefällt mir so; hat doch ein jeder die Freyheit, dieser meiner schlechten Poesie den Titul einer Operette, Serenade, eines Ballets, Pastorelles oder gar eines Quodlibets an die Stirne zu heften. Wer seinen zärtlichen Geschmack süßer küzeln will, der erfreue sich an den feuerreichen und künstlichen Ausführungen des Hrn. Neumeisters und des berühmten Mons. Telemanns, die in unserer[257] Zeit das Monopolium solcher galanten Wahren auf dem deutschen Helicon an sich gezogen. Mons. Hein, deßen Fähigkeit in der Musick vor diesesmahl meinen Versen durch eine nette Composition das Leben gegeben, schlägt nebst mir die Urtheile müßiger Köpfe desto getroster in den Wind, je mehr er wie ich versichert zu seyn meinet, daß Sie, hochzuehrender Patron, unsere Kühnheit so gut entschuldigen, als Dero Verdienste, daß Sie das Ihnen von hoher kayserl. Gnade anvertraute Amt, ungeachtet des heimlichen Murrens vieler neidischer Affecten, zu verwalten fähig sind. Hat gleich hier meine Muse kein weitläuftiges Reimgebeth nach der gemeinen Leyer hinten angeflicket, so werden doch Sie, hochzuehrender Gönner, bey künftigem Wachsthum Ihrer hochwerthesten Familie gewis glauben mögen, daß auch meine aufrichtigen Wüntsche darzu etwas beygetragen. Übrigens gehet meiner Redligkeit nichts so nahe, als daß die eußerlichen Umstände meines Glücks so beschafen sind, daß ich mich aus Furcht, in den Verdacht der Schmeicheley oder des Eigennuzes zu verfallen, kaum zu sagen getraue, mit was vor Ergebenheit die Meriten und die Gewogenheit kluger Patronen zu schäzen wiße,

hochedler, hochzuehrender Gönner,

Ihr gehorsamer

Joh. Christian Günther.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Leipzig 1935, S. 255-258.
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