[Soll, kluge Schönheit, dein Vergnügen]

[155] Als sie ins Kloster ziehen wollte.


Soll, kluge Schönheit, dein Vergnügen

Mit deiner Brust ins Kloster gehn,

Wie, soll der Garthen brache liegen,

Auf welchem Zuckerrosen stehn?

Was wiltu, da sich andre freuen,

Mit Fasten deinen Leib casteien?


Ach, schönes Kind, die enge Zelle

Ist deiner Hofnung weites Grab,

Hier wächst und ist die Qual der Hölle,

Hier nimmt der Kern des Lebens ab,

Und in den bangen Kirchenmauren

Muß auch Canarisect versauren.


Das Jungfernhonig nährt die Galle,

Die Einsamkeit gebiehrt den Tod,

Die Jungfrau schwindet vor dem Falle

Und leidet ohne Leiden Noth,

Der Rosenkranz, der Freyheit Ende,

Beschwert der Nonnen Herz und Hände.


Komm, las dich in ein Kloster führen,

Wozu der Abt den Schlüßel trägt

Und Amor über alle Thüren

Dies in erhabner Schrift geprägt:

Zu unsrer lieben Frauen Orden

Ist dieser Ort gewidmet worden.


Den Altar geben deine Brüste,

Das Rauchwerck glüht in deiner Schoos;

Hier stillen wir des Fleisches Lüste

Und dämpfen sie auf einen Stoß,

Bis wir durch ein geschwächtes Küßen

Auch in das Complet treten müßen.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 6, Leipzig 1937, S. 155-156,162.
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