Eilfter Auftritt.

[199] Mägera als Graf Gansbiegel, Leander als Kammerdiener, Hanswurst als Heyduck, Angela und Colombina kommen von der Mauer des mittern Thurms hervor.


MÄGERA.

Nun hab ich dich, mein Schatz! an jenen Ort gebracht,

Den ich mir Lebenslang zur Residenz gemacht;

Hier siehest du mein Schloß im ganzen Umfang liegen,

Wo ich dich, schönstes Kind! mit zärtlichstem Vergnügen

Als Braut umarmen werd, hier ist der theure Ort!

Dein künftger Aufenthalt, allwo du mir das Wort,

Das du mir erst zuvor hast ohne Zwang gegeben,

Nunmehr erfüllen wirst, als Frau mit mir zu leben.

ANGELA zu Mägera.

Wie? – scherzen sie Herr Graf? in gegenwärt'gem Wald,

Ist, wie mein Vater spricht, der Hexen Aufenthalt;

Mein Aug betrügt mich nicht, hier sind die alten Steine

Von dem zerstöhrten Schloß, wo nichts als Todtenbeine

Verlebter Krieger sind, die wilder Feinde Macht

Vor hundert Jahren schon erbärmlich umgebracht.

Ich kenne ja den Rest von dem zerfallnen Schlosse

Das nichts als Schlangenbrut in dem gestürzten Schooße

Zu unserm Grauen hegt, was sollen doch wohl wir

An diesem wüsten Ort?

MÄGERA.

Ich wohne ja allhier!

Entsetze dich, mein Schatz! nicht über diese Sachen,

Gefällt der Ort dir nicht? ich kann ihn schöner machen.[199]

COLOMBINA zu Hanswurst.

Was Plunder, Herr Heyduck! was führen sie mich denn

In dieses Zauberschloß? das kann ich nicht verstehn;

Wir werden doch nicht hier vielleicht die Hochzeit machen?

Dieß wären wohl für mich ganz ungewohnte Sachen,

Wo ist das Landgut denn? wo ist denn wohl die Pracht?

Von ihrem grossen Herrn, wie sie mir vorgemacht?

Ich seh es ganz gewiß, sie haben mich betrogen

HANSWURST zu Colombine.

Das ist, nach neuster Art gelehrt geredt, erlogen,

Gedulten sie sich nur, mein Schatz! in kurtzer Zeit

Verliehren sie gewiß des Irrthums Dunkelheit,

Denn mein Herr Graf und ich seynd treu für die Getreuen,

Und für die Falschen falsch.


Man hört in dem Schloß ein Geschrey.


ANGELA zu Colombine.

O weh! was hör ich schreyen?

Dieß, Colombine! war ja meines Vaters Stimm,

Die so erbärmlich schrie?

COLOMBINA zu Angela.

Mich dünkt es so.

MÄGERA zu Angela.

Vernimm!

Der Zweifel soll anjetzt im Augenblick verschwinden,

Mein Schatz! wir eilen uns nunmehro zu verbinden,


Sie macht mit dem Stab Zeichen in die Luft.


Entsetze dich vor nichts, was du anjetzt wirst sehn,

Dein Vater schrie zwar erst, doch ihm ist nichts geschehn,

Er muß mir nur zum Schertz bey unsrer Hochzeit dienen;

Komm, schönste Angela! in den Pallast, worinnen

Ich alle Anstalt schon zur hochzeitlichen Pracht,

Für ein so würdig Kind auf theureste gemacht.[200]

Entflieh du wilder Ort! entweicht ihr öden Steine!

Du aber Hochzeitsaal für meine Braut, erscheine.


Sogleich verschwinden die Thürme samt der Mauer, und verwandelt sich das ganze Theater in einen prächtigen Saal; rückwärts sieht man einen Orgester aufgerichtet, allwo der Schulmeister, Richter und die Bauern als Musici angekleidet sitzen, und musiciren. Odoardo und Anselmo hangen einer rechts, der andere linker Hand, und Riepel in der Mitte, in der Luft auf einer Wolkenmaschine, als Hangleichter, wo sie an jedem Arm und an jedem Fuß, auch auf dem Kopf ein Licht haben, das Orgester spielt einen Menuet, und Mägera mit Angela, Hanswurst mit Colombine tanzen. Nach Endigung des Menuets.


ANGELA zu Mägera.

Nun steht es anderst aus; mein werthester Gemahl!

Was fühl ich nicht für Lust, in diesem Freudensaal.

MÄGERA zu Angela.

Bemühe dich nicht mehr, mich als Gemahl zu nennen,

Der Irrthum flieht von dir,


Sie berührt die Angela mit dem Stab.


du lernest mich nun kennen!

Ich bin nicht dein Gemahl, noch Graf, wie ich dir schien,

Ich bin Mägera selbst! ich bin die Zauberin!

Die sich zuletzt an dir auf solche Art gerochen,

Weil du so unverschämt die Pflicht der Treu gebrochen;

Leander! welcher dich aufs zärtlichste verehrt,

Der von dem Vater dich zu feiner Frau begehrt,

Ja, welche da dich ihm dein Vater abgeschlagen,

Das Leben sich sogar zu nehmen wollte wagen,

Leander ward von mir von seinem Tod geschützt;

Und durch die Zauberey im Lieben unterstützt;

Ich nahm mich seiner an, ich kam, ihm beyzustehen,

Doch wolt ich auch die Groß von seiner Liebe sehen,

Ich fand ihn stets getreu, nun suchte weiters ich

Auch deiner Treue Stärk, doch wie betrog ich mich,

Kaum hast du mich noch recht als Grafen angesehen,

So war es auch bereits um deine Treu geschehen;[201]

Leander kam sogleich in die Vergessenheit,

Und mir ward ungesäumt dein falsches Herz geweiht,

Ja, du erkühntest dich sogar mir vorzusagen:

Der Liebe Fesseln hätt dein Herz noch nie getragen;

Dein treuer Liebster sah dein Wanken selbst mit an,

Wofür er dich anjetzt nach Recht bestraffen kann.

LEANDER zu Angela.

Ja falsche Angela! sind dieß die Zärtlichkeiten?

Die Pflichten, Treu und Schwur, die wir uns sonsten weihten?

Belohnest du so schlecht ein dir getreues Herz?

Ist alle meine Müh für dich dir leichter Scherz?

Treulose! wolt ich nicht um dich sogar das Leben,

Die Freyheit, meine Ruh, mein Wohl und alles geben?

Und du verschenkst dein Herz, und denkest nichts an mich!

ANGELA zu Leander.

Leander – höre doch –

LEANDER zu Angela.

Undankbare! – wen – dich?

MÄGERA zu Leander.

Leander! greiffe nur nach meinen Zauberwaffen,

Die falsche Angela empfindlich abzustraffen.

LEANDER zu Mägera.

Sie strafte sich schon selbst, ihr eigenes Vergehn

Kömmt ihrem falschen Herz einst theuer gnug zu stehn;

Vermählt und unvermählt, beym schuldigen Gewissen,

Wird sie, gleich hart gestraft, der Untreu Laster büssen:

Ich aber räche mich auf keine andre Art,

Als, daß ich von ihr flieh; stäts ihre Gegenwart,

So lang ich leb, vermeid und auch dabey vergesse,

Daß ich sie je geliebt.


Geht ab.
[202]

ANGELA ihm nachrufend.

Leander! ach! ermesse

Doch unsre Zärtlichkeit! ihr Götter! ach er geht?

HANSWURST zu Colombine.

Du Colombinisch Thier! schau her, wer vor dir steht!

Ich bin es, der Hanswurst, der dir sein Herz, sein Leben,

Du falsches Animal! hat zum Präsent gegeben,

Ich hab mich als Heyduck von darum nur verstellt,

Damit ich sehen konnt, ob deine Treue fehlt:

In meiner Meinung sah ich mich auch nicht betrogen,

Dann den Heyducken hast du mir gleich vorgezogen.

Drum! falsches Rabenaas! geh itzt zum Henker hin,

Und sag nicht, daß ich je dein Schatz gewesen bin,

Sonst soll dich die Frau Her in einen Wolf verkehren.

MÄGERA.

Du darfst auch wider sie von mir nun Rach begehren;

HANSWURST zu Mägera.

Frau Hexin! machen sie ihr nur den Hauptverdruß;

Daß sie nach neunzig Jahr noch ledig sterben muß.


Geht ab.


COLOMBINA.

O weh! – er geht!

MÄGERA zu Angela und Colombina.

Nu! wie, ihr falschen Frauenzimmer?

Die Reue ist zu spät, anjetzo weint nur immer:

Doch gehet bald von hier nach Odoardens Haus,

Sonst bricht noch meine Rach in größre strafen aus.

Schliest euch zusammen ein, und sehet das Verbrechen

Der Falschheit ruhend an; lernt, daß ein treu Versprechen

Nicht Kinderpossen sey; seht stets die Folgen ein,

Vielleicht kann dieß Vergehn euch künftig nützlich seyn.[203]

ANGELA vor sich.

Ich gehe ganz beschämt – wie hab ich mich betrogen!

Warum hab ich nicht eh der Untreu Straf erwogen.


Geht ab.


COLOMBINA vor sich.

Ach Frauenzimmer! seht doch mein Exempel an!

Bleibt eurem Schatz getreu, sonst kriegt ihr keinen Mann.


Geht gleichfalls ab.


MÄGERA zu Odoardo, Anselmo und Riepel.

Nun hab ich noch mit euch ein wenig was zu sprechen,


Sie macht mit dem Stab alle drey redend.


Hört mich!

ODOARDO in den Lüften.

Was Teufel! soll ich mir den Hals hier brechen?

ANSELMO.

Wie komm ich in die Luft?

RIEPEL.

Löschts aus! ich leucht nicht mehr.

MÄGERA.

Schweigt alle! – lärmet nicht, und höret mich vorher.

Ich bin die Zauberin von gegenwärtgem Schlosse,

Die ihr in dieser Nacht aus ihres Sitzes Schoosse,

Zu jagen habt gesucht, umsonst war eure Müh,

Umsonst wird sie stets seyn, denn mich bezwingt ihr nie:

Ja werdt ihr künftig noch mich hier zu stöhren wagen,

Kommt ihr noch einmal her, so brech ich euch den Kragen!

Doch laßt ihr künftig mich in meiner alten Ruh

So schwör ich euch von mir auch allen Frieden zu;

Nun aber sollt aus Straf, zu einem Angedenken,

Ihr in den Lüften hier noch vierzehn Tage henken.


Sie verschwindet unter Feuer.
[204]

ODOARDO, ANSELMO UND RIEPEL.

Ach! laßt uns doch herab!

ANSELMO.

O weh! ich armer Mann!

Ich leuchte hier umsonst, ich hab gar nichts gethan.

ODOARDO.

Sie wird uns doch die Zeit von dieser Strafe schenken,

Der Teufel möchte da durch vierzehn Tage henken.

RIEPEL.

Gebt mir nur Bratel, Wein, Toback und Hornerbier,

So henk ich, wenn ihr wollt, so lang ich lebe hier.


Ende.


Quelle:
Die Maschinenkomödie. Herausgegeben von Dr. Otto Rommel, Leipzig 1935, S. 199-205.
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