[21] Nach der Melodey: Wacht auf/ rufft uns die Stimme/etc.
1
Die Sonn ist aufgegangen/
der Lentz hat angefangen/
zu malen das verödte Feld.
Das früe Morgentauen
versilbert Thal und Auen/
und blumt der hohen Berge Zelt.
Der linde Westen-Wind
beküsset Florä Kind:
das Freuden-Lied
der Nachtigall bestimmt den Thal
und reimet mit dem Gegenschall.
2
Die Erd ist aufgeschlossen/
daß Bäum und Stauden sprossen/
und treiben ihren Wurtzelsafft.
Das Graß ist durchgedrungen/
die Blätlein gleichen Zungen/
zu preisen Gottes Wunderkrafft.
Denn aller Menschen Hand/
Kunst/ Arbeit und Verstand
ist viel zu schwach/[22]
daß er allein ein Blümelein
solt bringen aus der Erden Schrein.
3
Das Haar der grünen Wälder
und die smaragden Felder
bezieren sich nun in die Wett:
Die Blüte stehen offen/
und machen Früchte hoffen/
beschönend manches Gartenbeet;
der bunte Blumen-Krantz/
beschminkt mit neuem Glantz/
krönt die Matten.
Deß Winters Leid entweichet weit
deß frohen Frühlings Freudenzeit.
4
Der Augentrost erscheinet/
vom Morgentau beweinet/
und weiset auf die Gottes-Gnad.
Vergiß-mein-nicht/ das blühet/
das Engelsüß nicht fliehet:
der Frühling Tausendschöne hat.
Die Blum Dreyfaltigkeit
beharr zu jeder Zeit
in dem Hertzen.
Blum Passion/ im bunten Thron/
stellt uns vor der Mariä Sohn.[24]
5
Gott! dir sey Danck gesaget/
daß uns die Zeit behaget/
in welcher weichet Angst und Weh:
So wirst du alls erneuen/
und ewig uns erfreuen
mit dem verlangten Himmelsklee.
Inzwischen bringen wir
dir Lob und Danck herfür.
Halleluja!
Die Salemsstadt mehr Schöne hat
als dieser Erden Blumenpfad!
Buchempfehlung
Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.
244 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro