Die Muscheln

[41] Ich spaziert' an einem Abend an des Meeres flachem Strand,

Da viel rauhgefaltne Muscheln lagen auf dem schroffen Sand.

Als der Sonnen Purpurglanz fast war in die Fluth verschossen,

Haben diese Muschelsöhn' ihre Häuser zugeschlossen.

Es ging aus dem güldnen Bette auf die Sonn', als Bräutigam;

Bald von ihrer Strahlenhitze neue Kraft der Saft gewann

In dem offnen Muschelschloß; und den Strahlen zugekehret,[42]

Ward gebuntet ihre Farbe und ihr innrer Kern genähret.

Ob uns wohl die Sündennächte schließen eine kurze Zeit,

Wird doch unser Durst und Hunger nach der Sonnen Lieblichkeit

Nie geschlossen und betäubt. Unsre Herzen kluften offen;

Du füllst, o getreuer Gott, die auf deine Gnade hoffen.


Quelle:
Auserlesene Gedichte von Georg Philipp Harsdörffer, Johann Klaj, Sigmund von Birken, Andreas Scultetus, Justus Georg Schottel, Adam Olearius und Johann Scheffler, Leipzig 1826, S. 41-43.
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