(XXIX.)

Die verblendte Unbedachtsamkeit.

[97] Welchen man die Augen blendet / die stossen aller Orten an: Wer unbedachtsam verfähret / der kan nicht recht thun. Die Bescheidenheit / oder der Verstand eines von dem andern zu unterscheiden / gleichet dem Liecht / welches die klugen Jungfrauen in ihren Lampen getragen / und dardurch den rechten Weg gefunden. Paternus und Camerine werden uns lehren / daß wo die Bescheidenheit den Zorn nicht zu rücke hält /ein reuiger Ausgang zu erfolgen pflege.

2. In einer Gegend welche der Fluß Saone durchschwemmet / wurden vorbesagte verliebte mit gůldnen und seidnen Banden angenehmer Vertreuligkeit gebunden. Ob nun wol die Theile an vermögen nicht gar gleich / wie dem Stand und herkommen nach / so hat doch die Liebe solche Eigenschafft daß sie eine Gleichheit machet / oder findet / und konte deß Paterni Tapferkeit den abgang deß Reichthums ersetzē /daß beederseits Freundschafft darmit wol zu frieden.

3. In dem sie nun das Feuer ihrer Liebe mit dem öhl der Hoffnung erhalten / und mit dem Holtz böser Begierden nehren / kommt ein Wind der Eifersucht /welcher es außzuleschen beginnet / und sie in feindliches Mißtrauen setzet.

4. Luxor ein alter abscheulicher Edelmann / der auch in der Blüte seiner Jahre ein ungestaltes Angesicht gehabt / welches das Alter nicht beschönet / erkühnet sich diese Camarinam zu heuraten / und weil einem Esel mit Gold beladē alle Festungē offen stehen / trauete er durch seinen Reichthum diesen wie er vermeinte noch nicht besetzten Ort leichtlich zu erobern.[97]

5. Der Camarina Befreunde geben das Ja Wort von sich / und fragten nicht einmal ob ihr Will darbey oder nicht. Dieses Schlachtschaff sol dem alten zu Liebe aufgeopfert werden / weil es Luxor mit seinem Geld und Ehrenstand darzu erkaufft / oder ja wol bezahlen wolte. Camarina erblast über dieser Zeitung /und fühlet in ihrem Hertzen die Liebe mit dem Ehr und Geltgeitz streiten: sie kan die Sache nicht verabschieden / in dem sie nicht gerne wolte unbeständig gegen Paternum seyn / weil es zu weit mit ihnen kommen: im gegentheil auch ihr Glücke nicht mit den Füssen wegstossen / und im geringen Stand bleiben /da sie durch Luxor eine grosse Frau werden könte.

6. Inzwischen lässet Luxor deß Paterni Freunde ersuchen / sie solten ihn der Camarina machen müssig gehen / dann sie ihme nunmehr versprochen worden. Welches auch geschehen / und wurde Paterno ein andre Jungfrau seines Standes angetragen / welche er aus keiner Neigung / sonden andern zu gefallen besuchet / nicht ohne Hertzens zwang / daß er sich von Camarina solte scheide lassen.

7. Camarina aber lässet sich deßwegen nicht irren und entschleusst sich den Luxor abzuweisen / es erfolge auch sein Zorn und Feindschaft oder nicht / weil sie so viel Abscheu gegen diesen / als Liebe gegen jenen in dem Hertzen truge. Je freundlicher sich Luxor stellte / je feindseliger erweiset sich Camarina /und wenn Paternus sich nicht hette abschrecken lassen / solte er noch wol zu recht kommen seyn: So bald sie aber höret / daß er sie verlassen / und der Narsetta aufwartet / entschleusst sie sich ihn mit gleicher Müntz zu bezahlen / sich dem Luxor geneigter zuerweisen / und ihm zu folge ihrer Befreunden einrahten zu ehlichen.

8. In dem nun dieses vorgehet und der Hochzeit Tag verschoben wird / verstehet sie / daß Paternus in der alten Lieb beharret / und der Narsetta / auß Höfligkeit seinen Freunden zu willfahren / aufdienet. Diese verblendte Unbedachtsamkeit wischet ihr die[98] Schuppen von den Augen / daß sie den begangenen Fehler sihet / und betrauret / daß sie leider ihre junge Tage mit einem alten Mann zubringen werde müssen /welcher ihr zwar Gelt / aber keine Freude geben könne.

9. Als nun der Hochzeit Tag herbey kame / und alles bereitet war / bricht Camarina heraus / daß sie dem Luxor noch nehmen wolle / noch könne / und von dieser abschlägigen Antwort wil sie sich noch durch bitten / noch drauen / noch andren zu reden treiben lassen. Nachgehends hat sie alle Mittel dem Alten zu entkommen gesucht / und Paternum gebeten / er solte sie darvon führen / welches er aber nicht thun wollen / weil er bedacht / daß es ein böses Ende gewinnen müsse.

10. Hierüber wird Camarina unwillig wieder Paternum / und beschuldigt ihn geringer Liebe gegen sie /daß sie endlich dem Luxor zu theil werden müsse /wie dann auch geschehen. Paternus erkennet seine Unbedachtsamkeit / daß er nicht zugefahren und Camarinam entweder erstlich / als sich Luxor noch nicht angemeldt / oder zum andernmal / als sie mit ihm fliehen wollen / aus den Händen gelassen. In solcher Betrübnis tritt er in ein Kloster / und machet also der Narsetta Hoffnung in den Brunnen fallen.

11. Camarina hat ihres Alten bald genug / und entsetzte sich fůr seiner Freundligkeit / welche sie gegen den Missethaten ihrer Jugend für nichts hielte / und deßwegen die alte Liebe in ihrem Hertzen wieder anflammte / der Hoffnung dem Paterno die Mönchs-Kappen wieder abzuziehen.

12. Die bösen Engel haben wegen der Menschen Boßheit mehr Macht als die Guten / weil mehr böse /als fromme Menschen. Camarina treibt Paternum aus dem Kloster / in eine andere Statt zu seinen Ordens-Brüdern / und sie verfolget ihn / wie ein verwundter Hirsch / der seine Artzney / ohne Rast und Ruhe suchet / daß der Prior solches Luxor wissen machet /und umb Vermittlung bittet.[99]

13. Luxor lässet sie zurücke bringen / muß aber von ihr hören / daß nicht er sondern Paternus ihr rechter Mann / dem sie die Ehe erst versprochen / etc. Damit sie nun keine Thorheit begienge / lässet sie Luxor in ein Zimmer sperren / in welchen sie ihr Leben / mit rasen / wüten und toben geendet: darüber Luxor in verdacht kommen / er habe ihr ein Süpplein bey gebracht / dardurch ihr der Marter und ihm eines bösen Weibes abgeholffen worden.

14. Hieraus ist zu ersehen / wie blind und unbedachtsam die Jugend zu verfahren pfleget / und wie leichtlich sie sich in den Irrgarten böser Begierden vergehen / wann sie nicht durch den Verstand / als der Ariadnä Faden / den rechten Weg treffen wollen.


15. Vorgethan und nachbetracht /

Hat viel umb die Ehr gebracht.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 97-100.
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