(XXXI.)

Der Liebsbissen.

[103] Nachgehende Geschichte hat wenig ümstände / und handelt von einem Italiäner / welcher seiner Frauen aus Eifersucht mit Gifft vergeben / und als sie es vermerckt / hat sie ihm dergleichen beygebracht / daß sie beede jämmerlich gestorben. Wir wollen ein andre Geschichte an die stelle setzen / welche sich begeben /als ich mich zu Neapoli aufgehalten.[103]

2. Ein Teutscher vom Adel hat sich lange zeit in der schönen Stadt Neapoli aufgehalten / und mit einer Hof Dirne / derer Thür allen offen gestanden / brünstiger Liebe gepflogen: so gar / daß sie geraume Zeit über sich aller andrer Gesellschafft enthalten / und allein dieses Teutschen abgewartet. Wer Welschland durchreist / weiß wie diese Syrenen beschaffen sind /und daß der ihren Gesang zuhöret kein Geld in dem Beutel behält / und mehrmals kein gesundes Glied an seinem Leib darvon bringt.

3. Dieser Teutscher / welchen wir Bringreur nennen wollen / muste Doriclea Liebeslust theur bezahlen /und erfahren / daß er einer unersättlichen Menschenfresserin zu theil wordē / wie wol die Liebe so verblendet / daß er sich willig zu aller Mögligkeit verstanden / und an stat der Ritterübung / so er lernen sollen / hat er alle seine Gelter bey Doriclea verfochten.

4. Nach geraumer Zeit / wird er nach Hause entbotten / und von diesem Goldziehenden Demant lang über bestimmte Frist angehalten Endlich als es muste geschieden seyn / bittet Doriclea diesen Fremden zur Malzeit / und setzet ihm zur Collation allerhand Zuckerwerck / und schleckerbißlein / unter welchen eine Zelten / die sie ihm mit auf den Weg giebt / weil er aus Traurigkeit / oder sonsten gefasten Unlust nicht essen wollen. Damit nimmet er seinen Abschied /nicht sonder vielfaltige Thränen / weil sie sich (wie er geglaubt) seiner / als ein Eheweib / gehalten.

5. Als er nun auf halben Weg nach Capua gekommen / fällt das Pferd unter ihm zu Boden / und wil nicht wiederum auffstehen. Er steigt ab / gürtet den Sattel auf / und zaumt den Gaul ab / er bleibt aber /als halb todt liegen. In Ermanglung aller Labung giebt er dem Pferd die Liebs-Zelten / welche er von Doriclea auf die Reise empfangen / zu essen. So bald das Pferd solche in dem Leib / steht es wiederum auf und laufft wieder zurucke nach Neapoli / für der Doriclea Thür / und zwar[104] so schnell / daß es unterwegs niemand aufhalten können.

6. Der Teutsche gehet hernach so geschwind er konte / fraget wo das ledige Pferd hingelauffen / und wird dahin gewiesen / wo er sein Pferd gantz rasend an die Thür schlagend gefunden / und als Doriclea herunter kommen / auf sie springen wollen: dadurch sich dann eröffnet / daß ihm vermeint gewesen / was dem Pferd beygebracht worden.

7. Als Bringreur solches gesehen / hat er ein ander Pferd gemidet / und Gott gedankt / daß er ihn für solchen Spühlfleck behütet / weil er nicht allein seine Reise unterlassen / und Doriclea nachgelauffen: sondern auch gewißlich rasend worden / und von Sinnen kommen were / allermassen dergleichen Liebsgetränke und Bulerspeisen solche Würkung zu haben pflegen.

8. Wie es zugehet / ist aus natürlichen Ursachen gar leichtlich zuergründen. Ein Hund welcher ein Brod isset / das unter meinen Ychsen erwarmet / wird mir nachlauffen / weil er der Geisterlein / so darinnen enthalten / theilhafftig worden. Wo ein Dieb hingetretten / hinterlässet er in seinen Fußtritten so viel /daß man ihn kan dadurch wiederkommen machen. Warumb solte dann nicht ein Weib etwas von ihrem Leib (ich wil nicht sagen was /) einem Mann beybringen könnē / daß er ihrer begehren muß. Welche de transplantatione morborum oder Verpflantzung der Kranckheiten geschrieben / halten diese Erfahrung benebenst andern / für einen ungezweiffelten Grund /und hangen auch den Thieren oder den Baumen der Menschen Kranckheiten an.

9. Die Lehre kan seyn / daß man sich für böser Gesellschafft hüten sol / »und sonderlich für Weibspersonen in fremden Landen / da alle Haußarbeit den Männern anbefohlen / weil den Weibsbildern nicht zu trauen / und niemand von ihren Gerüchten essen würde. Hüte dich vor der Sängerin / sagt Salomon /auf daß sie dein Hertz nicht an sich[105] locke.« Viel haben die Weiber verführet / und in zeitliche und ewige Seelen Gefahr gestürtzet.


10. Warnung.


Wer wil seyn der Sünd befreyt /

Fliehe die Gelegenheit.

Wer mit Mehl umbgehen wil /

Der bestaubet leicht die Hand:

Also sind in fremden Land

Aller Orten Beutel Mühl' /

Und ist besser ferne stehen /

Als dem Rad zu nahe gehen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 103-106.
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