(XXXIII.)

Der Leichtglaubige.

[108] Wer leichtlich glaubet / wird leichtlich betrogen / und wird es mit grosser Beschwernis zu spate bereuen. Der Zorn und die unerwarten Fälle übereilen manchen / der hernach Zeit gewinnet seinen Fehler zu erkennen. Dieses wird aus folgender Geschichte mit mehrem erhellen.

2. Peregrin aus dem Saltzburgischen bürdig / von ehrlichen Eltern geboren / und eines guten Wandels /richtete seine Gedanken auf Euphrasiam / eine Jungfrau von duppelter Schönheit / nemlich deß Angesichts und deß Vermögens. Diese Hertz- und Gegenliebe hat er nach und nach gewonnen / das beyde nicht von einander leben kunten / wie sich bedunken liessen.

3. Als sie nun ihr Feuer nicht mehr verbergen kunten / haben die Eltern solches gäntzlich auszuleschen keine Mittel unterlassen. Euphrasia war eine Adeliche Jungfrau / Peregrin hingegen ein Kauffmanns Sohn: diese Ungleichheit wurde der Jungfrau verwiesen /und ihr ein andrer Namens Domnole gleiches Adels angetragen / welchen sie aber noch wissen noch hören wollen.

4. Nach dem Domnole der Eltern Ja Wort / wil er sich nicht lassen abweisen / und bringet die Sache dahin / daß der Hochzeit-Tag benennet / und alle gehörige Nohtturfft darzu beygeschaffet wird: der beständigen Hoffnung / sie werde den Eltern schuldigen Gehorsam leisten müssen / sie wolle / oder wolle nicht.

5. Euphrasia stellet sich kranck: man lässet ihr eine Ader öffnen / welche sie etliche stunde hernach wieder auffreisset: begierig durch verlust ihres Geblüts den Geist auffzugeben. Es fügte sich aber daß ihre Mutter ungefeh zu dem Bette gienge / und sie in einer Ohmacht / in ihrem Blut als todt gefunden.[109]

6. Man laufft nach den Artzten / und erschallet das Geschrey in der gantzen Statt / diese Hochzeiterin sey eiligen Todes gestorben. Peregrin kommet diese Zeitung auch für Ohren / und er ist so leichtgläubig / daß er / sonder ferners befragen / seinen Weg in Welschland und bey Messina in eine Mönichs-Kutten nimmet / sein Leben aus Traurigkeit / in solchen Stande zu verschliessen.

7. Nach dem nun Euphrasia wiederumb zu recht gebracht worden / und Gewißheit erlangt daß Peregrin nicht wiederzukommen gedencket / betrachtet sie ihre Thorheit / daß sie sich vorsetzlich umb das zeitliche und ewige Leben bringen wollen / und solches aus Ungehorsam wider ihre Eltern: Entschleust sich endlich Damnole Beständigkeit zu erkennen / und sich an ihn zu ergeben.

8. Als nun Peregrin von einem seiner Freunde verständiget worden / welcher gestalt Euphrasia noch lebte / und eine Hochzeiterin / eilet er nach Saltzburg diesen Handel zu unterkommen / und Damnole vorzukommen. Aber vergebens.

9. Peregrin gelanget zu Saltzburg an / als eben der Hochzeit-Tag / mit gewönlichem Gepränge begangen wurde / und hatte unter wegens lange Zeit / seine Leichtglaubigkeit zu bereuen. Die Jungfrau Braut sihet diesen entkappten Mönich / und hat einen Abscheu vor ihm / weil sie gezweiffelt / ob er seines Kloster Gelübts entbundenr lässet ihm deßwegen sagen: er sey zu spat kommen / und habe sie ihm als einen Weltlichen / nicht aber als einem Geistlichen ihre Treue gegeben.

10. Mit diesem muste der leichtgläubige Peregrin wieder abziehen / und weil ihm alle Hoffnung entsuncken / unterstehet er sich Damnole / als einen Rauber seiner Vertrauten / das Leben zu nehmen / wird aber von seinen Dienern / welche ihren Herrn Beystand leisteten / unterschiedlich mal durchstochen /daß er todt zur Erden gefallen.

11. Man sol noch zu wenig / noch zu viel glauben /sondern in diesem / wie in allen andern Stücken[110] das güldene Mittel-Maß halten. Dieses ist in Kriegs- und Liebshändlen eine nothwendige Erinnerung: gestalt der so den einkommenen Kundschafften zu wenig Glauben zustellet / gar zu sicher ist: welcher aber alles glaubet / reitet auff dem rückgängigen Krebs nach seinem Glück / wie Peregrin in vorgehender Geschichte.

12. Wird Gott in der letzten Zeit

Glauben finden?

Vieler Menschen Eitelkeit

Denckt nicht an der Seelen leid.

Die sich gründen

auf der Erdenehand Gefehr /

als ob keine Hölle wer.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 108-111.
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