(XLI.)

Der verrähterische Schwager.

[136] »Das Eisen schafft viel Nutzen / und das Gold bringt viel Schaden. Die Chymisten behaubten mit guten Ursachen / daß dieses Sonnen-Metall von Gott nicht zu dem Ende erschaffen / daß man darmit stoltzieren /oder wuchern sol / welches beydes Gott zu wieder: sondern daß man Hertzstärckungen und Lahungen nach der Apotecker Kunst darvon bereiten sol. Doch hält diese Lasterzeit das Gold in so hohen werth / daß es gleichsam das fünffte Element / ohn welches nichts bestehen kan.« Der Apostel sagt recht: Die nach grossem Reichthum trachten / fallen in viel Versuchungen / welche ihnen der Satan / als Fallstricke geleget hat: und unser Erlöser vergleichet die Sorge der Nahrung / und den Reichthum dieser Welt mit den Dörnern: wer damit umbgehet / kan sich leichtlich verletzen / die Sorgen bleiben / in dem die Freude so man darob trägt / mit den baldwelcken Rosen dahin fället.

2. Dieses hat auch erfahren Tygris / ein Soldat / der sein Glück durch Tapferkeit suchen müssen / und als der jüngste von seinen Brüdern / seinen Unterhalt ausser väterlicher Verlassenschafft werbē? hat es auch so weit gebracht / daß er eine Haubmannschafft unter deß Königs Leibregiment erlangt / und bey jedermann ein gutes Lob hatte: sonderlich aber / war er ein guter Jäger / und liebte diesen Krieg wieder die wilden Thier über alles.[136]

3. Zur Friedenszeit / unter König Heinrich dem Vierten dieses Namens in Franckreich / lage sein Fahnen in dem Lyonischen / und er machte Kundschafft mit Nilamann einem vom Adel / in der nähe / welcher ihn wegen der Jägerey / als seinen Bruder liebte / mit auf seine Wildfuhr führte / und vielmals in sein Schloß zu sich nahme: daß die Vertreuligkeit unter ihnen sehr groß / und fast keiner ohn den andern seyn konte.

4. Dieser Nilaman hatte eine schöne Schwester Namens Crispina / welche sich belustiget diesen freundlichen Jäger / mit ihren Augen zu bestricken: Tygris hingegen verhoffte grossen Reichthum / welcher ihm ein Wildbret ware / mit dieser Jungfrau zu fangen. Eutrope ihre Mutter / und Nilomann der Bruder liessen ihnen dieses Gestell nicht zu wieder seyn / und werden sie beede ehlich getrauet / ob sich wol andre umb Crispinam angemeldet.

5. Tygris erhält zu einem Heuratgut ein Stück von Eutrope Landgütern / und lebt mit allen vergnügen /in friedlicher Liebe / und mit grossen Ehesegen / ich wil sagen vielen Kindern bereichert / oder vielmehr verarmet: daher er seines Schwagern Güter und Einkunfft mit lustrenden Geitzaugen anschauet / und nach Mittlen trachtet / solche an sich und seine Erben zu bringen: unbetracht / daß dorten Salomon sagt /unrecht Gut hilfft nicht / und der Segen deß HErrn machet reich ohne Mühe / in seinen Sprüchen am 10. Cap.

6. Er wuste wol daß Niloman mit dem Degen noch mit dem Gifft / ohne seinen eignen Schaden nicht schaden kunte / musste deßwegen auf sichre Mittel gedenken diesen seinen Schwager aus dem Wege zu raumen. Es bulte Maximus ein Edelmann in der nähe umb eine adeliche reiche Wittib: Tygris räht Niloman er solte sich darumb bewerben / bringet aber auf der andern Seiten zu wegen / daß Maximus ihn fordern ließ / auf welchem Fall Tygris verhoffte halb gewonnen zu haben / dann Nilomann obsiegte seinem Gegner / und musste in Welschland[137] entfliehen / daher die Verwaltung aller Güter der Eutrope / auf Nilomann gewaltzet.

7. Nach Verfliessung etlicher Jahre wird Nilomann mit Maximi Freunden versöhnet / daß er wieder nach Hause kommen darf / und weil er sich in Schulden gestecket / und seine Güter verpfändet / trachtet er eine reiche Heurath zu thun / welche Tygris listig verhindert / in dem er sich solche zu fördern bemühet scheinen wolte / weil er wol wuste / daß seine Kinder keinen Antheil bey Nilomans Gütern zu hoffen / wann er heuraten / und selbsten Erben haben würde.

Unter andern Nilomans Gläubigern / welche ihm abwesend Gelder zugewechselt / war auch Apollin ein reicher Handelsmann / welcher wiederumb bezahlet seyn wolte / und bey Gericht angehalten / man solte ihm sein Unterpfand Nilomans Güter zu urtheilen. Tygris reitzete seinen Schwager / daß er den Kauffmann ausfordern und ihm mit den Degen abrechnen und Recht schaffen solte / wie auch erfolget.

9. Apollin verstunde den Wucher besser / als den Degen / und liesse Niloman sagen / er solte ihn zahlen mit Gold / und nicht mit dem Eisen / und lasse er mit solchen Wechselbrieffen keine Schuld abführen. Hierüber ergrimmet Niloman / und draut Apollin zu erwürgen / wo er ihn antreffen würde / und gelobt ihm Tygris getreuen Beystand: lässet aber Apollin für seinem Schwager warnen / damit er desto leichter solte ermordet werden. Den falschen Mund der Gottlosen /wird ihr Frevel überfallen / wie Salomon redet in dem vorangezognen Capitel seiner Sprüche.

10. Einsten als sie beede auf der Jagt / kommt Apollin daher geritten / und Nilomann wil mit seinem Schwager und seinem Knecht auf sie zu / vermeinend / daß Apollins Geferden so verzagt / als er / wird aber von Tygris verlassen / umringt / und von Apollin zu boden geschossen: aller massen alles von Tygris verkundschafftet / und mit Apollin[138] gegen Nachlassung der halben Schuld abgeredet worden.

11. Nach dem Tygris Eutrope Güter / welcher inzwischen verstorben / an sich gebracht / vertraut er seine Verrätherey seiner Frauen Crispina / die darob ein grosses Mißfallen / und ihren Bruder sehr geliebet hatte. Als sich aber kurtz hernach / ein Haußstreit unter ihnen ereignet / wirfft sie in ermanglung andrer Rache ihm vor / daß er ihres Brudern Tod verursachet habe / ihn Apollin verrahten / und zeiget auch solches ihrer gantzen Freundschafft unbedachtsam an.

12. Kein Unglück kommt allein / sagt man in dem Sprichwort. Dieses geschahe auch hier / und wurde eben zu selbiger Zeit einer der Apollin Nilomann ermorden helffen / wegen andrer Verbrechen eingezogen / der bekennet / daß er Tygris und Apollin zu erstbesagtem Mord geholffen. Als Tygris Nachrichtung wegen solcher Beschuldigung / raumt er das Land /kan aber sein böses Gewissen nicht raumen / sondern lässet sich beduncken / daß er aller Orten das Blut seines Schwagers / wie Cain das Blut Abels / von der Erden gen Himmel schreyen hörte: entfliehet deßwegen in Teutschland / und ist nachmals in den Kriegswesen geblieben.

13. Also gehet eine böse That nicht wol hinaus /und verliert der alles / so alles durch die List zu erlangen verhofft. »Seine Anschläge sind wie leichte Spreur / so der Wind zerstreuet / ob sie gleich vollen Körnern gleich scheinen.« Hingegen aber ist der / so seines Beruffs abwartet / auf dem Wege der Gerechten / ein Palmbaum / an den Bach gepflantzet / dessen Bläter nicht verwelcken / und der seine Früchte bringet zu seiner Zeit. Hieher zu Tygris Geschichte schicket sich auch der Spruch Malachi: Vertraue dich nicht der / die in deinen Armen schläffet / und wie Salomon saget: Wer seinen Mund bewahret / der bewahret sein Leben. Die Spanier sagen / daß der sein Geheimnis eröffnet / seine Freyheit[139] »verkauffe / und gleichsam eines andern Verschwiegenheit dienstbar seyn müsse.«

14. Gott ist allein getreu /

Dessen Güte täglich neu /

Untreu ist der Welte Gott /

Mit der bösn und grossen Rott.

Hieraus ist leicht zu erkennen /

Wer deß Höchsten Kind zu nennen /

Und wer dort wird ewig brennen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 136-140.
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