(XLV.)

Der Alraun.

[150] Unter den Erdgewächsen ist keines das einen gantzen Menschen bildet / ausser der Wurtzel welche man Mandragel / Mandragora / oder Alraun[150] nennet. Von dieser Wurtzel sollen deß Labens Haußgötzen gemacht gewesen seyn / wie die Rabinen wollen. J.B. Porta schreibt daß ein Italiänischer Zahnbrecher solche Wurtzel als einen Menschen geschnitten / und in die Scham ein Hanffkörnlein gestecket / selbe darmit eingegraben / und dardurch zu wegen gebracht / daß der Alraun mit dem Haubt auf alle Fragen geantwortet. Dergleichen sol die Jungfrau zu Orleans gehabt haben / welche die Frantzosen wieder die Engelländer vertheidiget. Josephus nennet diese Wurtzel Baaras /von dem Thal wo sie häuffig wächset / und saget /daß sie zu Nachts leuchte wie eine Glut / und sol durch einen hungerigen Hund heraus gerissen werden / darvon zu lesen Plinius im 25. Buch am 12. Capitel. Zu Hamburg hat man drey Weiber welche mit diesen Wurtzeln gehandelt / mit Rutten außhauen lassen / im Jahr 1630.

2. Etliche wollen daß diese Wurtzel unter den Hochgerichten gefunden werde / weil der Saamen von den erhenckten Dieben herunter triefe / und solche Mandragoram wachsen mache / welches Wort auch Teutsch / und von Mann tragen der Wurtzel Namen gegeben. Alraun aber werde sie genennet / von dem Wort all und raun / raunen / weil es allen heimlich in die Ohren raune / was sie thun sollen / umb reich zu werden. Es sind aber etliche Erdgewächse / so diesen Namen tragen / und alle in dem Schatten stehen wollen. Der Safft dieser Wurtzel machet starck schlaffen.

3. Ob nun wol diese Wurtzel / ohne Sünde seinen natürlichen Gebrauch haben mag / so hat der böse Feind sein Spiel hierbey / und machet derselben übernatürliche Tugend zuschreibē / wie jener Schwab / der seine Freunde gebetten sie solten ihm ein Hauß-Geist (Spiritum familiarem) von der Messe mit bringen. Diese haben ihm zu schertz eine Mücken in einem Glaß verkaufft für 2. Thaler / und das vertruncken /durch welche so bald der Satan geredet / weil nemlich der Kauffer sein vertrauen von Gott ab- und zu dem Teuffel gesetzet hatte / davon der Höchste alle Christen behüten wolle.[151]

4. In einer vornehmen Handelstatt in Franckenland / hat sich eine merckwehrte Geschicht von einem Alraun begeben / darauß zu ersehen seyn wird / wie der böse Feind die einfältigen so meisterlich zu betriegen weiß / und ihnen hernach mit ewiger Verdamnis zu lohnen pflegt. Wir wollen den gantzen Verlauff kürtzlich erzehlen: jedoch unter verblümten Namen / damit niemand erkand werden möchte / dann theils deroselben Befreunde noch im Leben.

5. Magdalon ein Handwercks-Weib / hinterläst unter andern einen Alraun / oder eine solche Wurtz /wie wir vor beschrieben haben. Als sie sterben wil: befihlt sie der ältsten Tochter / sie solte dieses schwartze Männlein in ein fliessendes Wasser werffen / welches sie auch nach der Mutter Tod gethan / und nicht gewust was es gewesen: aber doch gesehen / daß ihr Vater einsten dieses Kästlein hinter die Thür geworffen / und deßwegen / wie die Leute abergläubig /verdorben seyn solle.

6. Die jüngere Tochter hatte vielmals hören sagen /daß wer ein Alraun hette / bey jedermann angenehm und niemals mangel liede / fragte deßwegen darnach /weil sie wuste / daß einer unter mütterlichen Verlassenschafft vorhanden gewesen. Marian die ältste Tochter / wil nicht sagen / daß sie solchen in das Wasser geworffen / Uneinigkeit und Zwist zu vermeiden. Man suchet alle Winckel aus / die Wurtzel ist nicht zufinden.

7. Nach dem die Abtheilung geendet / und Hedwig die jüngere Schwester beharrlich nach dieser Wurtzel verlangen getragen / findet sie unter ihren Geretlein in einer Truen / den Alraun verborgen / und erfreuet sich darüber nicht wenig. Ob nun der böse Geist dardurch mit ihr geredet / und ihr Rath und That gegeben / kan man nicht wissen. So viel aber hat man ersehen / dz es ihr / dem eusserlichen Schein nach / wol ergangen. Sie hat einen Beckenknecht geheuratet / ihn zu Bürger und Meister gemachet / ja das erste Jahr ein schönes Hauß gekaufft / und Gelts gnug[152] gehabt / da ihre Schwester hingegen verdorben und in eusserste Armut geraten. Hieher gehören die Wort deß Predigers am 8. Capitel. Es sind Gerechte denen gehet es / als hetten sie Wercke der Gottlosen: und sind Gottlose / denen gehet es / als hetten sie Wercke der Gerechten.

8. Nach wenig Jahren fället diese Hetwig in eine tödtliche Kranckheit / und schreibt man solt ihren Mann eiligst holen / dann sie wol spürte daß sie nun plötzlich sterben müste. Man spricht ihr zu / sie solte sich zu einem Christlichen Abschied gefast machen /ihre Sünde erkennen / und auf Gottes Barmhertzigkeit ihr vertrauen setzen. Sie wil von diesem nichts hören /sondern schreyet nur nach ihrem Mann.

9. Endlich als der Mann zu der Thür hinein tritt /wil sie anfangen von den Alraun zu reden / er aber schlägt sie auf das Maul / daß sie also bald in die Züge fällt / und stirbt dahin. Wiewol sie verfahren /wird jhre Seel erfahren haben. Nach dem man sie zur Erden bestattet / ist sie mit vielen heulen und schreyen in dem Hause wiederumb erschienen / wie man sie in den Sarg geleget / daß ihr hinterlassener Wittber außziehen und in einer andern Behausung wohnen / nachgehends aber die seine anders bauen müssen.

10. Hieraus erhellet / was Salomon sagt / Es ist besser arm / »und niedriges Gemüts seyn mit den Elenden / dann Raub außtheilen mit den Hoffertigen /und kargen mit den Geitzigen.« An einem andern Ort sagt er: Es ist besser wenig mit Gerechtigkeit / denn viel Einkommen mit unrecht. Ach was hilfft es den Menschen / wenn er auch die gantze Welt gewinnet /und leidet Schaden an seiner Seele?


11. Buchstabwechsel


Gelt: legt.

Das Gelt legt manchen in das Grab /

Das Geld ist ein gefährtes Haab /[153]

Wer Tag und Nacht nach Reichthumb tracht /

Der ist schon in deß Satans Macht.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 150-154.
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