(LVI.)

Die gestrafften Balger.

[190] Die Gesetze der Könige und Oberherren sind gleichsam Zweige und Sprossen Göttlicher Gesetze / welche die selbstrache einstimmig verbieten und die Gerechtigkeit für der Beleidigten Zuflucht gehalten haben wollen. Das Gebot du solt nicht tödten, ist dem natürlichen und allen Menschen eingebornen Rechten so gemäß / daß es auch alle Heiden erkannt / und solches übertrettung nicht ungestrafft gelassen. Es hat aber der Menschenfeind ein gantz wideriges Gebott / auf den Grund einer nichtigen Ehre gesetzet und giebt den Menschen wegen geringer Ursache ein: du solst tödten: Wie wir dieses bey unsren Kriegszeiten da das Christenblut vergossen wird wie Wasser / und auch sonsten in Befedung vieler Rachgierigen sehen.

2. Unter diesen letzten ist zu meiner Zeit der vornemste gewesen Bouteville / welcher 21. mahl seine Feinde vor der Klingen gesehen / und meinsten theils ümb so geringer Ursach willen / daß solche nicht eines Worts / zugeschweigen Leib- und Seelen gefahre wehrt seyn sollen: Ungeachtet solches ein Verbrechen dardurch der Adel (nach Inhalt der Kön. Verbote) verlohren / der Verbrecher Güter dem König verfallen / sie aller Ehren versetzet / durch den Hencker hingerichtet / und ihr Leichnam in keine gezweyte Oerter begraben werden.

3. Dieses alles hat Bouteville / als Landkündige Sachen / wol gewust / aber doch nicht unterlassen /den Grafen Pontgibault an dem H. Ostertag zu[190] nöthigen / daß er sich mit ihme rauffen müssen. Deßwegen das Parlement zu Paris nach ihnen greiffen lassen / sie sich aber mit der Flucht gerettet. Eben dieser Bouteville hat 1626. den Grafen Torigny in der Faßnacht für die Klingen gefordert und erstochen. Das folgende Jahr hat er sich und Freyherr Frete gerauft mit Poissy und S. Germein / da Frete deß Boutevills Beystand erstochen worden.

4. Weil nun bey so vielen Verbrechen wieder die Königlichen Gebotte / Bouteville in gantz Frankreich nicht sicher / hat er sich nach Brüssel begeben / benebens den Grafen von Chapelle seinem vertrauten Freund. Der Marggraf von Beuveren / willens deß Grafen von Torigny Tod zu rächen / ziehet mit seinem Breuter nach Brüssel / und weil der König solches in Erfahrung gebracht / lässet er an die Ertzhertzogin Isabella schreiben / daß sie diese seine Unterthanen /nicht solte zusammen lassen.

5. Die Ertzhertzogin erweiset dem Herren Bouteville grosse Ehre / wegen einer Fräulein von dem Hause Montmorency / welche sie an ihrem Hofe hatte / und ersucht den Marggrafen Spinola diese beede Herren zu vergleichen / welches er auch mit beederseits guten Vergnügen gethan. »Wie aber die geheilten Beinbrüche zu gewisser Monatszeits Schmertzen verursachen; also sind die verglichnen Feindschafften. Beede nehmen ihre Wege in Lothringen / weil Beuvern sich vernehmen lassen / er könne nicht zu frieden seyn / er habe denn Bouteville für der Klingen gesehen.«

6. Beuvron raiset nach Paris / und ob wol der König von der Ertzhertzogin eine Fürbitte wegen Bouteville eingelegt / hat sie doch anders nichts erhalten können; als daß er ausser Paris nicht nach ihme wolle greiffen lassen. Darüber er sich so ergrimmt /daß er unterschiedlich mahl gesagt / er wolte sich in Paris und auf den Königlichen Platz (à la place reyale) mit seinem Gegner fechten / wie er auch gethan / mit zweyen Beyständen beederseits / unter welchen auf jeder seiten einer todt[191] geblieben / und Beuveron sich in Engeland / Bouteville aber sich in Lothringen begeben wollen / da er unterwegs mit den Grafen von Chapelles angehalten worden.

7. Der König hat solches in Erfahrung gebracht /und alsobald den Margrafen Gordes mit Volck dahin gesendet / und sie nach Pariß bringen lassen. Als sie nun in verhafft und das Parlement ihnen einen Gerichts-Tag angesetzet / haben sie so wol von ihren Befreunden aus dem Hause Montmorency / als andern Fürsten Königl. Geblüts grosse Fürbitte gehabt / doch hat ihnen der König wegen so gar frevler That keine Gnade erzeigen wollen / daß sie also nach gethaner Beicht und Buß durch den Hencker enthaubtet worden / und zwar weil sie den Tod nie gescheuet / solchen mit unverbundnen Augen entgegen gekommen.

8. Ihre Leiber sind auf verdeckten Wägen von den Richtplatz / und von dar nach Montmorency geführet worden / zu dem Begräbnis ihrer Vorfahren. Diese That und strenge Gerechtigkeit deß Königs hat den Adel viel klüger und bedachtsamer gemachet / daß sie die ergangene und mehrmahls erneute Gebote besser beobachtet / und friedlicher gelebt.


9. Alle gleiche Thiere Zunfft /

lebet friedlich / ohn Vernunfft;

aber vieler Menschen Scharen

die begabet mit Verstand /

halten für der Ehre Pfand /

wann sie Feinden gleich verfahren.

Soll uns auch das wilde Thier

lehren was uns ziemet hier?

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 190-192.
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