(LXXIV.)

Der verwegne Artzt.

[243] Es sind viel tausend Menschen / welche ihr Leben zu erhalten / dasselbe in Gefahr setzen.[243] Die Soldaten dienen üm einen geringen Sold und bekommen ehe Stösse als Geld. Die Kauffleute wagen sich über Meer /und ersaufft mancher ehe er reich wird. Die Hoffnung ist der Zehrpfenning unsers Lebens / und verlässet uns nicht in Glück und Unglück. Dieses ist aber noch viel wunderlicher und thörigter / wann einer sein Leben zum Pfand setzet / Reichthum zuerlangen / wie der verwägne Artzt / welcher den Inhalt dieser Ezehlung an die Hand geben sol.

2. Zerbi ein Venetianer / ein Artzt / aber kein Artzney verständiger / weil er wegen seiner geringen Wissenschafft zu Venetig und Padua sich nicht nehren konte / schiffte er nach Candia / da er vermeinte besser fort zu kommen. Als er aber auch der Orten viel fande / die wegen seiner erkranken wolten / segelt er von dar ab nach Adrionopel / eine Statt unter deß Großtürken Bottmässigkeit / und etliche Meil von dem Ponto Euxino gelegen.

3. Als er nun der Orten seine Mittel Marktschreierisch růhmte / und etliche mit mehr Glück als Kunst gesund machte / gelangter in grossen Ruhm / und bereichert sich in kurtzer zeit mehr / als er zu Venetig nicht wünschen dörffen / daß er also sich wol hette können begnügen lassen / wann der Geitz nicht anfienge / wo er auf hören solte / und sich mehrten die Begierden zu haben / wie der Wasser süchtigen Durst in dem Trinken.

4. Dieses Zerbi Namen wurde weit und breit bekannt / und kame auch für Säuder Bassa / einen von den grossen Herrn an der Türckischen Pforten / der unsägliche Schätze gesammelt hatte. Dieser erkrankte an der Wasser- oder Trummelsucht / einer unheilsamen Krankheit / nach aller Artzte zu Constantinopel einstimmigen Aussage. Besagter Bassa sendete zu Zerbi / liesse ihme seinen Zustand vortragen / und befragen / ob er ihme getraute das Leben zu erhalten? Zerbi sagte auf gut zanbrecherisch ja / und wolle er sein Leben dar gegen zu einem Pfand setzen / diesen Bassa darvon zu bringen.

5. Der Bott erfreuet sich über solche Zeitung[244] (massen wir leichtlich glaubē / was wir gerne hören) und versprache güldene Berge / wann er seinem Versprechen Krafft geben würde. Zerbi lässet sich bitten /wendet für seine Versaumnis / die Beschwerlichkeit der Raise / sein Alter / seine Kranken / die er verlassen müsste. Man verspricht ihm / wegen alles dessen Schadloß zu halten / und noch übergrosse Belohnung. Hierüber lässet er eine Verschreibung aufrichten / und verpfändet sein Leben gegen 4000. Kronen / für welche er den Bassa wieder gesund machen solte.

6. Als nun Zerbi nach Constantinopel kommet /findet er den Kranken so aufgeschwollen / als wann er drey Schweitzer in dem Leibe gehabt. Noch war dieser Zerbi so verwägen / daß er sich unterstehen dörffen / ihn zu heilen / welches er aber nicht laisten können / sondern ihn durch seine Artzney in deß Mahomets Paradeiß befördert. Die ander Artzte / welche diesen Aufschneider gehasst / bedienten sich dieser Gelegenheit Zerbi übel nach zu reden / und gaben aus / daß er den Bassa üm das Leben gebracht. Er entschuldigte sich / so gut er möchte / fürwēdend / daß er zu spat zu der Krankheit gezogen worden / daß die Kräfften nicht so stark / daß die Artzneyen anschlagen können / etc.

6. Bevor er nun abraiste / wil der geitzige Thor das verschriebene Geld haben. Man saget ihme er sol seinen Weg ziehen / oder man wolle seinen Frevel mit verdienter Straffe ansehen. Er beklagt sich solches Undancks bey dem Divan oder Richter / welcher ihn mit seinem begehren abgewiesen / und wird ihm in dem Alcoran gewiesen / daß deß Menschen Leben /über sein gesetztes Ziel nicht einen Augenblick / länger dauren / oder durch Artzney verlängert werden könne.

8. Wieder dieses Urtheil beklagt sich Zerbi / und will sich mit leerer Hand nicht ab weisen lassen. Deß Bassa Erben stellen sich / als ob sie ihn bezahlen wolten / führten ihn in eine Kammer und lassen ihn mit einer Senne von einem Bogen / durch ihre Leibeigne erdrosseln / dardurch dann dieses Mida Geitz ersättiget worden.[245]


9. Wie sollen die flüchtigen nichtigen Güter

erfüllen und stillen der Menschen Gemüter

sie können die eiseren Thruen wol füllen /

doch niemals die Geldes begierigen stillen.


Ist eben dieses was dort jener Kirchenlehrer gesagt: Das Gold kan wol die Thruen / aber nicht deß Geitzhals Verlangen erfüllen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 243-246.
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