(LXXVI.)

Der glückselig-Verjagte.

[250] Es begiebt sich in den Schiffbrüchen / daß der Felß /welcher das Schiff zerscheidert / und die Ursache der Gefahr ist / die ersauffenden bey dem Leben erhält. Die Welt ist ein ungestimmes Meer / alle Menschen /und sonderlich diese / welche in hohen Ehrendiensten sind schweben in grosser Gefahr. »Gott aber der Felß deß Heils / welcher sie zu zeiten sincken lässet /bringt ihre Unschuld an den Tag und errettet sie aus ihren Nöhten; gleich wie Noe Arche durch die Wellen / welche andre ersäuffet / empor gehoben worden. Wen Gott lieb hat den züchtiget er / und nach dem er bewäret / worden / empfähet er die Kron deß Lebens etc.« Dieses erhellet auch aus nachgehender Geschichte.

2. Das Bann- und Insicht-Gericht zu Venetig ist Zehen Rahtherren anvertrauet / und hat keinen Oberrichter / daß es also bey ihrem Endurtheil / so einmal geschöpfet worden / nothwendig verbleiben muß. Diese Herren sind in grossem Ansehen / und haben Macht den Hertzogen selbsten rechtlich vorzunehmen / in Verhafft zusetzen / und sein Verbrechen zu beurtheilen. Dieses sage ich darum / daß niemand befremden sol / wann sie an eines Hertzogens Sohn Gewalt und Rache geübet / weil sie solches Verbrechen auch an seinem Vater zu bestraffen / Fueg und Macht gehabt.

3. Unter diesen Rahtherren war auch Hermolas Donatus / dieser hatte eine Rechtfertigung wider einen Edelmann den er einer stummen Sünde beschuldiget /und ob wol die Zeugen alle wider den Beklagten / so wurde er doch (ihrem Gebrauch nach) nicht gestraffet / weil er die peinliche Frage außgestanden / und die That nicht bekannt.[251] Herrmolas wolte die Warheit aus sondrem Eifer heraus pressen / und war dem Beklagten sehr hart / da doch alle die andre ihn für unschuldig frey lassen wolten. Einer von den Gefangenen beschlosse bey sich diese Tyranney an Hermolas zu rächen / und nach deme er wieder frey worden / hat er etliche Meuchelmörder angestellet / welche ihme so lang nach gegangen / daß er endlich von ihnen gefället und nieder gestochen worden.

4. Die Thäter hatten sich aus dem Staub gemacht /der Anstiffter aber ist noch eine zeitlang zu Venedig geblieben / seine Lust an seines Feindes Leichnam zu sehen / und weil ihm seine Gewissens-Angst stündlich triebe / ist er derselben zu entfliehen in Calabria entwichen / und ein Mönch worden / Gott diese Sünde wieder ab zu bitten. Zu Venedig forschet man fleissig nach dieses vornemen Herren Mörkern / es will sich aber niemand in Verdacht finden / biß endlich ein Zettel in der Gerichtstuben gefunden worden /auf welchem gestanden / daß der entleibte Hermolas Feindschafft gehabt mit Jacob Foscarini / damalichen Hertzogs Sohne; daher der Verdacht auf diesen unschuldigen gekommen / daß er in die Gefängnis gelegt / und an die peinliche Frage gespannet worden.

5. Dieser bekennet zwar / daß er in Feindschaft gestanden mit Hermolas / habe ihn aber nicht ermorden lassen / und wisse nicht wie / und von wem es beschehen. Solches wurde für ein halbe Bekäntnis angenommen / und die peinliche Frage fortgesetzt. Sein Herr Vater der Hertzog hat allen Fleiß angewendet seinen Sohn zu retten / aber der Gerechtigkeit ihren Lauf nicht hemmen und aufhalten mögen. Er draute / daß er sich wegen dieser Ungerechtigkeit bey allen Christlichen Fürsten beklagen wolte; musste aber hören / daß er sich seines Sohnes Verbrechen nicht solte theilhaftig machen / oder gleicher Warheit Probe erwarten.

6. Endlich als Jacob nicht bekennen wollen / was er nicht gethan / und wol wuste / daß man ihn ohne[252] solche Bekäntnis nicht konte hinrichten lassen / hat er seine Freyheit zwar wieder erlangt / ist aber in die Insel Candiam geschicket worden / mit diesem Beding / daß er daraus nicht weichen solte / bey Verlust seines Lebens / und musste also dieser alte Vater seines einigen Sohns / der bereit zu ansehlichen Diensten befördert worden / beraubet seyn. Er betrübte sich so sehr / daß er kurtze Zeit darnach sein Leben endete /und Jacobs Gedult auch durch diesen Fall übte / welcher wie jener gesagt / mit Fug beten können: Vater /der du bist in dem Himmel.

7. Diese Anfechtung lehrte ihn auf das Wort merken / und erweckte in ihme die Furcht Gottes / welche zu allen Dingen nutz ist. Er seufftzete täglich / daß doch der höchste allwissende und gerechte Richter seine Unschuld möchte an den Tag bringen / wie auch endlich nach 24. Jahren seines Elends erfolget / und zwar auf eine solche weise. Der Mörder / oder Mordstiffter hat auf seinem Todbett gebetten / man solte nach Venedig schreiben / daß er / und nicht Jacob Foscarini Hn. Hermolas Donat ermorden lassen / und daß er auf solche Bekäntnis sterbe. etc.

8. Als nun der Venetianische Regent deß Königreichs Candia dem Jacob solche Zeitung / und daß er wieder nach Venetig zu höhern Diensten / als er vor gehabt / beruffen worden / hat er vermeint das Glück wolle ihn / wie die jungen Affen ihre Jungen / in den Armen erdrucken. Er eilet wieder zu seinem Vaterland / und fande unter allen den Richtern / welche ihn verdammt / nicht mehr als zween noch in dem Leben /welche sich entschuldigt / daß sie nach ihren Gewissen geurtheilt. Er hat mit Joseph gesagt: (1. Mos. 25. v. 4.) bekümmert euch nicht / und denket / daß ich darüm zürne / Gott hat mich für euch (hin und) her gesändet.

9. Nach solchem wurde er Statthalter zu Padua /hernach einer von den zehen Rahtsherrn / die ihn verdammt / hernach Procurator oder Sachwalter deß Regiments zu Venetig / welches der Vornemsten[253] Aemter eines / und hat also sein Leben in höchsten Ehren geendet. Dieser Foscarini hette wol singen können.


Bin ich biß an der Erden End vertrieben /

so bin ich doch in Gottes Hand geschrieben /

die für und für ist hart auf mir.

Wann er mich tödtet wil ich ihn doch lieben /

und endlich:

So hat Gott meiner nimmer nicht vergessen /

ob mich gleich Noth und Todt fast aufgefressent:

Das Sonnenrad folgt trübem Pfad /

der Lorbeerkrantz den Klagen und Cypressen.


H. Dilherrens Weg der Seeligkeit am 187. Blat.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 250-254.
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