(LXXXVIII.)

Der mörderische Diener.

[294] Der Haubtman Brasidas hat seine Hand in einen Handschuhe stossen wollen / und ist von einer Maus /die darinnen verborgen gewesen / gebissen worden. Schaut doch! sagte er zu seinen Soldaten /[294] es ist kein Feind so gering / er kan Schaden thun. Es ist eine feine Lehre / welche uns niemand sol verachten machen: dann wann ich den überwinde / welchen ich verachtet habe / so ist es mir keine Ehre: wann ich aber überwunden werde / so ist meine Schande so viel grösser. Dieses ist auch denen gesagt / welche ihre Haußgenossen / deren Dienste sie doch nicht ermanglen können / hart und verächtlich halten / daß sie ihrer Herren Feinde werden müssen / daher die Schriff sagt: Deß Menschen Feinde sind seine eigne Hausgenossen / wie auch aus nachgehender Geschichte zuersehen seyn wird.

2. Zu Orleans hielte ein Edelmann einen Laqueien welcher erstlich so ein grober Gesell / daß alle andre Haußgenossen seiner gespottet. Dieser Gesell hatte ein vergalltes Gemüt / und war / wie man zu reden pfleget / ein Narr auf seinen Kopf. Er wurde nicht allein von seinem Herrn / sondern auch von dem Stallknecht / auf deß Herrn Befehl fast täglichs geschlagen / weil er es wol verschuldete und wurde er deßwegen von den Mägden und Kindern verlacht und gehönet. Man muß zeit haben einen Ochsen zu erzörnen / ist er aber einmal ergrimmt / so weiß er seine Stärke und scheuet niemand.

3. Dieser Laquay war ein Liebhaber deß guten Weins / und bezechte sich / daß er weniger Verstand als ein unvernünfftiges Vieh hatte / und wolte alsdann alles todt haben / daß ihn jederman fürchten muste. Als er sich auf eine Zeit auch überfüllet / und zu Bette musste getragen werden / hat er geflucht / gepoltert und verursacht / daß ihn sein Herr mit Händen und Füssen / in dem Bette binden / und biß auf das Blut mit Ruten streichen lassen.

4. Weil aber der falsche Gesell das übel abgebetten / und gutes künfftig zu thun versprochen / da er doch vielmehr sich zu rächen bedachte / ist er nicht aus dem Hause geschaffet worden. Als nun sein Herr in dem Weinlesen / auf seinem Landgut zwo Meilen von der Statt / sendete er diesen zu[295] rucke / was mangelte aus dem Hause zu holen / brachte auch deßwegen einen Brief an die ältste Tochter / das Haußhalten betreffend / und ein zukauffen etliche Sachen welche der Laquay mit nehmen solte. Als er nun fast Abends abgefertiget war / wolte er zuvor trincken. Die Magd gehet in den Keller / und weil er fürchtete sie brächte ihme zu wenig / gehet er hernach und heischet mehr als sie ihme geben will: hierüber kommen sie zu streiten / und der Laquay sticht sie mit einem spitzigen Messer daß sie zu Boden fällt / und schneidet ihr hernach die Gurgel ab.

5. Nach diesem laufft er hinauf / und thut der andren Magd deßgleichen. Lässet es auch darbey nicht bleiben: sondern bringet gleichfals die zwo Töchter und den Sohn fünff Jahr alt üm das Leben / daß also wol zu sagen / der bose Feind hab ihme die Hand geführet / welcher ein Mörder ist von Anfang. Nach diesem stösset er das Messer in die Erden / nimmt was er zu überbringen hatte / samt dem geschriebenen Brief /als ob er nichts böses gethan.

6. Ein Schuster wolte folgenden Tages von seiner Arbeit in das Haus bringen / und konte niemand erklopfen / daß er endlich mit einem Nagel oder fremden Schlüssel die Schnallen erhebt / und so viel Todte in ihrem Blut findet. Er erstaunt ob solchem Scheusal / und stehet in bedencken was er thun sol? Der Obrigkeit solches anzusagen / wolte er nicht für rahtsam finden / weil er für den Thäter möchte gehalten werden. So gute Gelegenheit sich zu bereichern bedunckte ihn nicht zu verabsaumen / bricht also Kisten und Kälter auf nimmet Geld und Geldswehrt und versteckt es in seinen Keller.

7. Deß andern Tags wird der Fuhrknecht in die Statt gesendet etliche Fässer hinaus zu der Weinlese zu führen. Die Thür war verschlossen und wolte oder konte ihme niemand aufthun. Er holet endlich den Schlosser und lässet die Thür eröfnen / da er dann gleich fals die todten Leichname gefunden / und so bald die gantze Nachburschafft mit seinem Geschrey zulaufen machen: Die Obrigkeit sendet aus[296] ihren Mitlen dahin / und vermeint man daß er solches rauber gethan haben müssen / weil die besten Sachen hinweg. Niemand ist weniger in Verdach / als der Thäter / welcher mit den hertzbetrübten Eltern auch zu weinen nicht unterlassen.

8. Nichts ist / nach dem Sprichwort / so klein gesponnen / das nicht solte an die Sonne kommen / und nichts so verborgen / das nicht solte eröffnet werden. Einer von den Nachbaren hatte den Schuster sehen hinaus gehen. Der Schuster sagte daß er Arbeit hinein getragen / welche man auch noch finden werde / und ist darbey verblieben. Ein Monat hernach zanket er mit seinem Weib / welcher er zuvor den grossen Fund geoffenbaret hatte; die kan sich nicht anderst rächen /und verräht ihren Mann / daß er also bald in Hafft genommen wird.

9. Ob er nun wol an der Volter die Mordthaten nicht bekennet / wurde er doch auf dem Platz die Martroy genamt / lebendig gerädert / da er biß auf den letzten Seuftzer verharrt / daß er niemand ermordet. Der Laquay sihet dieses alles / und vermeint / daß er nunmehr ausser allen Argwahn / verbleibt auch noch etliche Monat bey seinem Herrn / und besaufft sich /wie zuvor nach seiner Gewonheit. Der Herr wil ihn straffen lassen / er wehrt sich aber und verwundet den Kutscher deme solches anbefohlen war / darüber laufft er darvon. Zwey Jahre hernach wird er / wegen eines Diebstals zum Strang verurtheilt / und bekennet auf der Leiter / daß er so viel Mordthaten zu Orleans begangen.

10. Gott lässt dich viel Sünde treiben

und die Straffen aussen bleiben

lange Zeit:

Lang geborgt / wie man gedenket /

ist mit nichten gar geschenket /

kommt das Leid /

so wird es mit schweren Massen

dich nicht ungestraffet lassen /

auch noch heut!

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 294-297.
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