(LXXXIX.)

Der unglückselig-leichtglaubige.

[301] Wie der güldene Tugendweg in der Mittelstrassen /also sol man auch (ausser Göttlichen Sachen /) nicht zu viel noch zu wenig glauben / weil beedes grosses Nachtheil mit sich ziehet. Wer alles glaubt / wird leichtlich betrogen / wer gar nichts glaubet / wird in seiner Sicherheit verderben. Hette Licostenes / von welchem wir in folgender Erzehlung reden wollen /solches beobachtet / würde er sich nicht in so grosse Gefahr gestürtzet haben / wie wir vernehmen wollen.[301]

2. In einer Statt deß Hertzogthums Geldern hielte sich ein alter Edelmann / welcher nach langer Nachwart / fast zu Ende seiner Jahre sich verheuratet. »Der Ehstand ist ein Joch / welches von ungleichen Personen nicht wil gezogen werden / und sind gar zu junge und gar zu alte solches nicht fähig« / daher alle verständige / den Alten rahten /. Weiber Liebe müssig zu gehen / wann sie nicht vorsätzlich ihr Leben abkürtzen wollen.

3. Pandera / oder vielmehr Pandora war eine frische wie wol dem Ansehen nach bescheidne Dirne / welche diesen Alten durch guldne Brillengläser ansahe / und in Hoffnung seines Todes / sich bey ihme zu gedulten vermeinte / in dem Licostene seinem Goldtrank die Krafft wieder jung zu machen beygemessen / und vermeint daß das Silber alle Falten seines Angesichts wieder ein gleichen könne. Anfangs ihres Ehestands /hatte dieser Licostenes grosses vergnügen mit seiner Pandera / nach und nach entfulen ihm die Kräften /und fande sich hingegen eine widerwillige Trauersinnigkeit.

4. Wie die strengen Sonnenstralen schwache Augen entblöden / also kan auch das schwache Alter der Jugend Arbeit nicht ertragen / die einen starcken Magen und gute Zähne erfordert. Er liesse zwar geschehen /daß sein Weib sich in frölichen Gesellschafften fande / gabe ihr aber zu verstehen / daß ihme lieber / wann sie zu Hause verbleiben würde / der Hoffnung daß sie nach und nach verrasen / und seinem Sinn besser nachahmen solte. Diese Pandera war gleich dem Delphin / welchen viel andre Fische / wie ihr viel junge Buler / nachgefolget / doch ohne böses thun / weil sie mehr fröliches als unkeusches Gemühts war.

5. Dem Alten wird gesagt / daß seine schöne junge Frau andern auch wolgefalle / und daß ihre grosse Höfligkeit / wegēgeheimer Begünstigung verdächtig seye / dieses machte den Alten unlustig / daß er seiner Pandora gram wurde / welche er von andern geliebt zu werden vermeinte. Sulpicia Licostenes Schwester /war[302] eine bejahrte Wittib / und hatte ihre Kinder auf ihres Bruders Reichthum vertröstet / deßwegen auch seine Heurat mit Pandera zu hintertreiben vermeint /und weil solches nicht angehen wollen / hat sie eine brünstige Feindschafft wieder diese Einkömmlinge gefasset.

6. Diese Sulpicia sahe ihren Bruder betrübt / und wuste den Argwahn / welchen er wegen Pandera geschöpfet / wolte deßwegen Oel in das Feur giessen /und Holz zulegen / daß diese fröliche Pandera darinnen verbrennen solte. Uber dieses erfande sie auch eine Verleumbdung / welche meine Feder mit Blut anfüllen wird Pandera hatte eine Kammer Magd / Namens Orsinetta / welche sie sehr liebte und dieser Bruder Nesso / war ein trefflicher Lautenist und Singer / welcher die Jugend in so löblicher und lieblicher Ubung unterrichtete.

7. Dieser besuchte zum öfftern seine Schwester /und liesse ihn Pandera in beysein ihres Mannes singen und spielen / welches er mit guter Art und Höfligkeit als ein Dantzmeister / der sich von Jugend auf wolständiger Sitten befliessen / gerne und willig thäte. Nesso gedachte nichts wenigers / als mit Pandera einen Ehebruch zu begehen; ihr war auch dergleichen nie zu Sinne kommen; aber die runtzelreiche Sulpicia / entdeckte endlich der Orsinette die grosse Liebsneigung / welche sie gegen ihrem Bruder in dem Hertzen hatte. Orsinetta mahnte sie von so thörigten Beginnen ab: aber vergeblich / das alte Holtz war schon gantz angefeuret.

8. Nach dem nun Sulpicia nicht nachlassen wil /sagt Orsinetta / daß ihr Bruder bey seinen Jahren /und daß sie sich zu solcher Kuplerey nicht gebrauchen lasse. Sulpicia aber beharret in ihrer Thorheit /und wird nicht allein von Pandera / sondern auch von Nesso / als eine Artzney für die Liebe / verlachet und abgewiesen. Hierüber entbrandte diese Vettel / daß sie ihre Liebe in Haß verwandelte / und sich so wol an Orsinetta / als Nesso / sonderlich aber an Pandera zu rächen begehrte.[303]

9. Nesso bliebe etlichmals wann er sich etwan verspätet über Nacht in Licostenes Hause / weil auf der Gassen zu zeiten böse Gesellen / mit denen man in Unglück kommet / und Pandera liesse Orsinettam bey ihr schlaffen / welches alles Licostenes wol wuste. Dieses war die Gelegenheit welche Sulpicia ersahe sich an allen dreyen zu gleich zu rächen: sagend zu ihrem Bruder daß Nesso an Orsinetta stelle / Pandera die Nachtschrecken vertriebe / und verhoffte dieser Anwalt deß Satans / auf allen Fall ihren Bruder zu erben / wann Pandera aus dem Wege geraumet werden würde.

10. Als nun der leichtglaubige Licostenes sich stellet / als ob er über Land verraiset / und sich bey seiner Schwester Sulpitia aufgehalten / die Ehbrecherin mit ihrem Bulen zu erdappen / findet sich Sulpicia in Pandera Hauß / und veranlässt Nesso aldar zu übernachten / wie auch beschehen. Als es nun spat / und Pandera mit Orsinetta zu Bette gegangen / eilet Sulpicia ihrem Brudern anzusagen / daß sie beede nun beysammen etc.

11. Licostenes hatte ihme von langer Hande falsche Schlüssel machen lassen / mit welchen er durch alle Thüren und in seine Schlafkammer in dem Finstern kommen / und auß Rachgier ergrimmet / die unschuldige Panderam so wol als Orsinettam für ihren Bruder Nesso / in dem ersten Schlaf / mit einem Dolchen durchstochen. Nach solchem laufft er zu der Orsinetta Kammer / findet das Bett leer / und erwecket das Haußgesind / und auch Nesso / der ihme entgegen kommet mit seinen andern Dienern / und das Unrecht erkennen machet.

12. Diese That konte nicht verschwiegen bleiben /sondern brachte so wol Licostenem / als seine Schwester in verhafft / mit welcher er sich entschuldigen wolte / wie Adam / das Weib hette ihn verführet: hat aber sich dardurch von verdienter Bestraffung nicht entschůtten mögen / sondern ist benebens seiner Schwester enthaubtet worden. Seine Güter haben der Pandera Freunde / und theils Nesso / wegen[304] seiner unschuldig ermordten Schwester / rechtlich erhalten /der Sulpicia Kinder aber sind leer außgegangen.

Ein blindling ist der Geitz / ein blindling schneller Glaub /

und beedes bringet Noth in Ehr- und Güter Raub.

Fürsichtig ist der Mann der gleich den Blinden gehet /

der tappet mit dem Stab bevor sein Fuß bestehet.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 301-305.
Lizenz:
Kategorien: