(CVIII.)

Die bestraffte Verrähterey.

[379] Wie die Treue bey Gott und Menschen beliebt ist: also ist hingegen die Untreue ein Greuel der gewißlich dort ewig von Gott / hier zeitlich aber / von deroselben Statthalter / der Obrigkeit bestraffet wird / und zwar nicht mit gemeinen Straffen / sondern solchen /welche andern einen Abscheu machen. »Unter allen Geschichten findet man niemals / daß ein Verrähter ein gutes Ende genommen / und ob es ihm gleich kurtze Zeit wol ergangen / ist doch die Straffe nicht ausgeblieben / und hat sich mehrmals auf die Nachkommen und den todten Leichnam erstrecket.«

2. Dessen ist ein sonderliches Exempel gewesen Abraham Roux zu Gouvernon / mit Jean Gerart genannt Grangeres und andern ihren Gesellen: Diesen war anvertraut Guy / ein Stättlein und ein Schloß unferne von Genua / welches der Constabel von Frankreich 1625. im August monat eingenommen / und sich mit seinem Heer / gegen annahenden Herbst / wieder nach Frankreich gewendet / weil die Lebens Mittel ermangelt / und die Krankheiten in dem Jäger sehr eingerissen.[379]

3. Als nun die Genueser wieder Lufft bekommen /haben sie die geringen Plätze theils leichtlich eingenommen / theils verlassen gefunden. Guy war allein noch überig / welches mit allem wol versehen / und wegen deß Schlosses / sonder Gewalt nicht zu erobern / und hetten die Stücke auf nechst beyliegende Berge mit grosser Mühe gebracht werden müssen. Die Genueser aber / wolten erstlich mit silbernen Kugeln schiessen / und schrieben an den Gebietiger deß Orts /wie sie keinen Entsatz zu hoffen / ihrer Macht nicht wiederstehen könten / und im fall sie den Ort zu behaubten sich erkühnen solten / sich vorsetzlich in Verderben stürtzen würden: wolten sie aber den Ort abtretten / solte es an einer guten Ritterzehrung nicht ermangeln.

4. Gouvernon und Grangeres liessen sich beschwätzen und erhandeln / ziehen auch nach dem sie zum Schein belägert worden / aus / und übergeben den Ort gegen einem guten Stück Gelds / die Genueser freueten sich über diesen ohne Schwertstreich erhaltenen Sieg. Gouvernon kommt nach Tolon / erkrankt und stirbt / wird auch in die Kirchen aldar begraben. Grangere hält sich zu Marsilien auf. Dem Connestable konte solche Sache nicht verborgen seyn / und hatte Ursach dieses Verbrechen nicht ungestrafft hingehen zulassen / weil sein erlangter Sieg / der viel ehrliche Soldaten und grosses Geld gekostet / durch diese eidbrüchigen Geitzhälse / verrähterischer weise wieder verlohren war.

5. Das Parlament zu Aix empfinge deßwegen Befehl / den Verstorbnen nachzufragen / den lebendigen Verrähter aber mit allen Unterbefehlhabern / so viel derselben zubetretten / in Verhafft zubringen: welches alles unverzögert geschehen. Nach Anhörung der Klage und der Beklagten Verhör / ist das Urtheil ergangen / daß Abraham Roux / Herr zu Gouvernon verstorben / als eine Person die Königliche Majestät beleidiget / in dem er das Schloß und die Statt Guy dem Feind verkaufft: deßwegen seines Namens Gedächtnis verdammt / sein Leichnam[380] durch den Henker wieder außgegraben / auf dem offentlichen Platz zu Tolon verbrennet / und der Aschen in die Lufft verstreuet werden solte.

6. Johan Grangres solte / wegen besagten Verbrechens / dem Henker übergeben / durch die vornemsten Gassen der Statt geführet werden / mit einem Strang an den Halß / einem Waxliechte in der Hand / für der Haubt Kirche nieder knien / Gott und den König üm Verzeihung bitten / auf dem Jacobiner Plag ihme Armen / Beine und Nieren zerbrochen werden / und also lebendig auf ein Rad gelegt / sein Leben also zu enden / mit Verbott / bey Lebenstraff ihme keinen Beistand zu laisten.

7. Peter Roux / deß vorbesagten Vetter solte mit einem Strang vom Leben zum tod gerichtet / beede aber bevor peinlich verhöret werden / den Verlauff der Sachen völlig zu erkündigen. Uber dieses alles sind dieser Verrähter Kinder für unedel und unwürdig aller Ambter und Ehren erkläret worden / ihre Güter eingezogen / deß Abraham Roux Hauß zu Chabueil niedergerissen / sein Wappen zerbrochen / durch den Henker verbrennt / und auf dem Platz wo das Haubt gestanden / eine Tafel an einem Pfeiler aufgerichtet /auf welcher dieses wie besagt alles / gemahlt / und geschrieben werden solte / mit Verbot / solche bey Lebens Straffe nicht weg zu nehmen / oder abzuthun. Welches alles nach Inhalt deß Urtheils vollzogen worden.

8. Diese merkwürdige scharffe Bestraffung der Untreu lehret seinem Herrn getreu dienen / und hat der berühmte Geschichtschreiber Johann Guicciardin verständig gesagt / »die Frantzosen weren glükselig in Eroberung fremder Plätze«; unverständig aber in derselben Erhaltung und Handhabung: massen zu diesem Klugheit zu jenem nur Glück vonnöhten / welches mehrmals aus Fahrlässigkeit deß Feindes entstehen kan.


Die Untreu bleibt nicht ungestrafft

bringt mit sich ein versehrt Gewissen /[381]

und wenn der Tod ihn hingerafft

muß Kindes Kind die Schande büssen.

Darumb sey treu ohn Sold und Lohn

Die Ehr' ist gar gnug darvon.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 379-382.
Lizenz:
Kategorien: