(CXII.)

Ehbruchsrug.

[393] Das alte Wörtlein RUG bedeutet die Klag / und wird auch gebraucht fůr die Straffe / daher lesen wir in alten Büchern von dem Ruggrafen / welcher der Richter ist gewesen in dem Ruggericht / von dem Rugknecht / Ruggeld / Rugbuch. In der Evangelischen Geschicht findet sich / daß Joseph / die Mutter Gottes / als er ihre Schwängerung vermerket / nicht habe wollen rügen / das ist / anklagen / zu schanden machen / und zu Straffe ziehen. In nachgesetzter Erzehlung aber werden wir hören / daß ein Edelmann sein in Ehbruch ergrieffenes Eheweib unbarmhertzig geruget habe.

2. Ein alter Edelmann in Piemond lebte vor Jahren mit seinem Weib in grossem Vergnügen / er hatte bereits das funfftzigste Jahr überschritten / und nahme eine arme und schlechte von Adel / der Hoffnung sie durch solchen hohen Ehrenstand zu schuldigen Gehorsam zu verbinden. Der Hertzog forderte diesen vornehmen Herrn nach Hof und bediente sich seiner Person in unterschiedlichen Verschickungen / und Rahtschlägen. Diese Einsamkeit war dem jungen Weib / welche in Gesellschafften auferzogen worden /fast unerträglich / und ihr schönes Schloß bedunckte sie eine Einöde oder verlassenes Nonnen-Kloster /welches sie / zu einer lebendig-todten Wittib machete.

3. Es hielte sich in ihrer Nachbarschaft ein Jüngling auf / der besuchte zu Zeiten ihren Herrn / und den ersahe diese einsame zu einem Gehülff in die Zeit zuvertreiben. Der Jüngling verstunde die Sprache[393] ihrer Augen mit Verwunderung / und weil er an ihrer Tugend nicht zweiffelte / vermeinte er daß gefaster Wahn ihn trügen möchte / und wil auch solchem wandelbaren Zeugen nicht Glauben zu stellen. Nach kurtzer Zeit eröffnete diese edle ihr unehrliches Anliegen /mit gar beweglichen Worten / daß der junge Mensch welcher auch Fleisch und Blut hatte / solche hohe Begünstigung mit würklicher Danckbarkeit erwiederte.

4. Dieses Feuer konte so wol nicht verborgen werden / daß man nicht den Rauch darvon hette sehen sollen / ich wil sagen / daß die Bedienten in dem Hause / dieser Ehebrecherischen Liebe einträchtig werden müssen / weil der Nachbar gar zu fleissig einkehrte / und von ihrer Frauen sehr freundlich empfangen wurde. Dieser Junge von Adel verehrte dem Alten einen guten Falken / und zu Zeiten Wildpret von der Jagt / damit er Ursach nahme Freundschafft mit ihm /und der Liebe mit seiner Frauen zu pflegen. Diese Beschenkungen und andre Nachrichtung von seinen Dienern machte den guten Mann zweiffeln / daß es in sei nem Hause nicht recht müsse hergehen / trachtete deßwegen zu finden / was er lieber ungefunden wissen wollen.

5. Als auf eine Zeit vorbesagter sein Helffer bey ihm / und er selben mit grosser Höfligkeit über Nacht zu bleiben genöhtiget / kommen ihme (nach gemachter Anstellung) Befehls schreiben von dem Hertzog /er solte bey Anschauung dessen / nach Hof verraisen /wegen wichtigen Angelegenheiten / etc. Den Brief lässet er sein Weib lesen / und setzet sich alsobalden auf / deß Hertzogen gnädigen Befehl pflichtschuldigst zu gehorsamen: ordnet auch zuvor / wie seine Frau in seinem Abwesen die Haußgeschäfte anstellen sol /küsset sie auf gut Jüdisch / und scheidet also von ihr und seinem verdächtigen Gast / welcher zugleich Urlaub nahme und bald wieder zu rucke zu kehren gewillet war / wie dann auch erfolgt und hat sich diese Ehebrecherin entblödet ihren Buler an ihres Herren Stelle in ihr Ehebette zu reitzen.[394]

6. Der Herr nun kame in der Nacht wieder zu rucke / und sendete seinen Diener vor ihm her / mit fürgeben / daß sein Herr etwas nöhtiges vergessen / welches er der Frauen eiligst anzumelden befehlt sey. Der Thorwärtel kennete die Rede deß Dieners und machte alsobalden auf / und mit diesem gienge sein Herr mit in das Schloß / und als sie für die Kammer kamen /und vorbesagter Diener anklopfte / mit vermelden /daß er einen Brief von seinem Herrn brächte / an welchem viel gelegen / hat die Kammermagd / eine alte Kuplerin / die Thür nur halb aufmachen / und den Brief nehmen wollen / wurde aber von dem Diener /mit dem Fuß / zurücke gestossen / daß sie hinter sich zu Boden gefallen / und kein Wort reden können.

7. Hierauf tritt nun der Herr mit seinen Dienern in die Kammer / und findet seine Ehebrecherin mit ihren Bulen gantz nackend liegend / welche sich nicht weniger gefürchtet und geschämet als Adam und Eva nach dem Sündenfall. Diesem Ehebrecher bande man Hände und Füsse zusammen / und nöhtigte der Herr sein untreues Weib / daß sie ihren Buler mit Hülff der alten Kuplerin erhenken musste / zu welchem Ende ein grosser Nagel / Strang und Leiter in Bereitschafft war. Das Bett ließ er verbrennen / und ein wenig Stroh in die Kammer thun / alle Fenster und auch die Thür vermauren / ausser einem kleinen Loch / da man der vermaurten Ehebrecherin Wasser und Brod täglich hinein langen konte / daß also diese Sünderin /ihren Bulen erhencken / und neben ihm lebendig verfaulen müssen. Was Gesellschafft sie an den Leichnam gehabt ist leichtlich zu erachten / und hat sie also im Gestank und wenig Lufft / nach dreyen Wochen in Verzweifflung den Geist aufgegeben. Die Kuplerin hat gleichfals in einem tieffen Keller elendiglich hungers sterben müssen.

8. Diese Ehebruchsrug ist in dem gantzen Land kund und offenbar worden / weil auch der Herr sein Weib in der Missethat ergriffen / ist er von dem Hertzog / bey welchem er in grossen Gnaden gestandē /[395] deßwegen nicht gestraffet worden. Viel haben vermeint die Straffe sey dem Verbrechen nicht gemäß: Viel geile Weiber aber haben sich durch diese That von ihrem Sünden Leben mehr abschrecken lassen /als sonsten von vielen Predigten und Bedrauungen Göttlicher Straffen. Hierauß könte man eine solche Geschicht Rähtsel in der Ehebrecherin Namen verabfassen.


Ich hasse meinen Mann / der kein Mann ist zu nennen

ich liebe / den ich muß das Leben kürtzen ab /

mein Lager ist das Stroh / mein Bette muß verbrennen /

ich lebe sorder Trost / in meiner Kammergrab.


Wer die Geschicht nicht weiß / wird solche Art der Rähtsel nicht auflösen können / wie wir hievon gehandelt in dem CCXXXV. und CCL. Gesprächspiele / wie auch in der 11. Stunde deß Poetischen Trichters.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 393-396.
Lizenz:
Kategorien: