(CXV.)

Erscheinung der Geister.

[403] Das sich der Satan in einen Engel deß Liechts verstellen kan / ist aus H. Schrifft beglaubt / und lässet solches Gott zu: eins theils die Bösen in ihren Wesen zu straffen: anders theils die Frommen durch solche Begebenheiten zu bewären / und zu lehren / daß sie sich für diesem tausent Klünstler hüten sollen. Wie sollen aber die Gottlosen Reichen glauben / wann gleich einer von den Todten auferstiende / sagt dort Abraham zu dem reichen Mann. Ja wann auch solche Gespenster die Warheit sagen / welche sie auß der Bösen Thaten leichtlich mutmassen können / wie der Samuel / den die Zauberin herauf gebracht / so verkauffen sie doch darmit viel hundert Lügen / und schaden der Seelen / in dem sie vorgeben dem Leibe zu helffen. Wie nun der böse Feind die lebendigen Leiber / wie in dem Paradiß die Schlange besitzen kan / also verhengt ihn auch Gott / daß er der verstorbnen Leichname zu zeiten regieret / und ihre Gestalt annimmt andre zu verführen. Folgende Geschichte sollen erstbesagtes mit mehrerem erweisen.

2. In Frankreich eiferte ein Edelman mit seinem Weibe / und hatte desselben genugsame Ursachen /suchte deßwegen Mittel sich ihrer zu erledigen. Nach langen Bedacht und vielem Versuch / welchen sie allen listig vorgebogen / hat er sie eine Nacht erdrosselt. Dieses fürchtete er / möchte ihm das Leben kosten / und begab sich zu einem Zauberer / welcher ihme zu vor[403] etwas wieder hauen und stechen angehangt / und fragte ihn um Raht. Der Zauberer verspricht ihm / er wolle etliche Tage seiner Frauen Gestalt hin und wieder gehen machen / und er solte inzwischen verraisen / daß kein Argwahn auf ihn kommen könte / wann sie in seinem Abwesen todt gefunden würde. Dieses richten sie abgeredter massen zu werke / und fande man den Leichnam so stinkend und erfault in deß Edelmanns Hauß / daß viel wähnten / es müsse nicht recht mit hergehen / wusste aber niemand / warüm dieser todte Leib den ersten Tag also gar verfaulet und gleichsam verwesen schiene.

3. Man wusste daß der Edelmann eine böse Ehe hatte / und vermeinten ihre Befreunde / er hette ihr so starken Gifft beygebracht. Zu deme war vielen seine Gemeinschafft mit dem Zauberer verdächtig / und wird der Edelmann deßwegen zu Rede gesetzt / und in Verhafft gebracht / von seinem Gewissen überzeuget /und als ein Mörder lebendig gerädert / der Zauberer aber hat die Flucht genommen / und ist an einem andern Ort lebendig verbrennet worden.

4. In einer andern Stadt bulten drey Studenten ům eine Ehefrau / welche sie / als junge Gauchen verlachete. Diese fügen sich zu einer Zauberin / welche ihnen versprache / daß diese Frau ihres Willens werden solte / einen aber unter ihnen würde ein grosses Unglück wiederfahren / und solten sie sich auf dem Ruckwege wol in acht nehmen. Ein jeder gedacht daß solches ihn nicht betreffen würde / und verlachten die Erinnerung. Ob sie nun verblendet worden / oder würklich mit dieser Frauen zugehalten / ist nicht wissend / auf dem Ruckwege aber / als sie siegend und stoltziglich nach Hause kehren wolten / fället ein Ziegel von dem Dach / und schläget von den dreyen einen starr todt darnieder.

5. Die überbliebene lauffen zu der Zauberin / und setzen ihr den Dolchen an die Gurgel / mit bedrauen sie zu erwürgen / wann sie ihren Gesellen nicht würde wieder lebendig machen. Die Zauberin sagt daß er in einer Anmacht liege / und nicht gestorben /[404] wie auch scheinbarlich erfolget / daß er ihnen entgegen gesprungen / gedantzet und gepfiffen / aber gantz blaß /stinkend und abscheuliches Ansehens / daß sie sich fast für ihm entsetzet. Vier Tage hernach ist er in einem Garten zu ihren Fůssen niedergefallen / und hat einen solchen Gestank von sich gegeben / daß niemand üm ihn bleiben können: daraus erhellet / wie der Satan diesen verstorbnen Leib beseelet gehabt /allermassen die Zauberin bekennet und mit den an dern zu verdienter Straffe gezogen worden. Die Zauberin wurde verbrennt / die Studenten in das Gefängnis geworffen / welche mit der Neapolitanischen Kranckheit angestecket / lebendig verfaulet.

6. Ein unbekanter Mann hat sich vor etlichen Jahren zu einem Breiter / bey einem Grafen von Rogendorf angegeben / welcher nach gelaister Probe zu Diensten angenommen / und ist ihme eine ehrliche Bestallung gemachet worden. Es begabe sich aber daß einer von Adel bey Hof angelangt / und mit diesem Breiter an die Tafel gesetzet wurde. Der fremde ersahe diesen mit erstaunen / war traurig und wolte keine Speise zu sich nehmen / ob ihme wol der Graf deßwegen freundlichst zugesprochen.

7. Nach dem nun die Tafel aufgehebt und der Graf den fremden nochmals wegen der Ursache seines Traurens befragt / hat er erzehlet / daß dieser Breiter keine natůrliche Person / sondern sey für Ostenden ihme an der Seiten erschossen / auch von ihme Sagern selbst zu Grabe begleitet worden: erzehlte auch alle ümstände / als sein Vaterland / seinen Namen / sein Alter / und hat solches alles mit dem was der Breiter von sich selbst gesagt / eingetroffen / daß der Graf daran nicht zweiffeln können / welcher Ursach genommen diesem Gespenst Urlaub zugeben / mit vorwenden / daß seine Einkunfften geringert / und er seine Hofhaltung einzuziehen gesonnen / etc.

8. Der Breiter meldet / daß ihn zwar der Gast verschwätzet / weil aber der Graf nicht Ursach ihn abzuschaffen / und daß er ihme getreue Dienste gelaistet und noch laisten wolle / etc. bitte er ihn ferners an dem[405] Hofe erdulten / etc. Der Grafe aber beharrte auf dem einmal gegebenen Urlaub: deßwegen begehrte der Breiter kein Geld / wie bedingt / sondern ein Pferd und ein Narrenkleid mit silbern Schellen / welches ihme der Graf gerne geben liesse / und noch ein mehrers wolte reichen lassen / daß der Breiter anzunehmen verweigerte.

9. Es fügte sich aber / daß der Graf in Ungern verraist / und bey Raab / auf der Schütt / besagten Breiter mit vielen Kuppelpferden in dem Narrenkleid antrifft / aus welches ersehen / der vermeinte Breiter seinen alten Herrn / mit grossen Freuden begrüsset / und ein Pferd zu verehren anbot. Der Graf bedanket sich und wil das Pferd nicht annehmen / weil er der Zeit keines vonnöhten. Als er aber einen Diener ersehen /welchen er zuvor bey Hofe wol gekennet / verehrt er ihme das Pferd. Dieser Diener setzet sich mit Freuden darauf: hat es aber kaum beschritten / so springt das Pferd in die Höhe / und lässet ihn halb todt auf die Erden fallen: verschwindet also das Pferd und der Roßreuscher mit seiner gantzen Kuppel. Dieses erzehlt H. Speidel in Notabil. polit. f. 379.

10. Eine Zauberin / eines Hafners Weib in dem Städlein Levin in Böhemen ist 1345. eines gelingen Todes gestorben / und auf einen Scheidweg begraben worden. Sie ist aber vielen Leuten erschienen in Gestalt wilder Thiere / und hat etliche ůmgebracht. Als man sie außgegraben / hat sie den Schleyr / damit ihr das Haubt ist verbunden gewesen / halb hinein gessen gehabt / welcher ihr blutig aus dem Hals gezogen worden. Darauff schlug man ihr einen eichnen Pfal zwischen die Brust: sie rieß aber den Pfal heraus /und brachte mehr Leute ům / als zuvor: hernach wurde ihr Leichnam samt dem Pfal verbrennt / und die Aschen in das Grab geleget: da hörte das ůbel auf: aber an dem Ort / wo man sie verbrennt / hat man etliche Tage einen Wind Wůrbel gesehen. Hegenitz in der Böhmischen Chronik.[406]

11. Zu Egwanschitz in Mähren hat sichs begeben /daß ein ehrlicher Büger dem Ansehen nach / auf den Kirchhof in der Statt begraben worden / welcher bey der Nacht ist aufgestanden / und hat etliche ümgebracht: seinen Sterbkittel aber hat er allezeit bey dem Grab liegen lassen. Dieses haben die Wächter beobachtet / und ihm den Kittel weggenommen. Als nun dieses Gespänst zu rucke kommen / hat es den Kittel von den Wächtern gefordert / und gedraut sie alle zu erwürgen / daß sie aus Furcht den Kittel hingeworffen. Hernach wurde er von dem Henker ausgegraben /zu Stucken zerhaut und also dem übel abgeholffen. Da er aus dem Grab genommen / sagte er: Sie hetten es wol angegriffen / sonsten / weil sein Weib auch gestorben / und zu ihm geleget worden / wolten sie beede die halbe Statt ůmgebracht haben. Der Henker zog ihm aus dem Maul einen langen grossen Schleyr /welchen er seinem Weib von dem Haubt hinweg gefressen hatte: denselben hat der Nachrichter dem Volk gezeigt / sagend: schaut wie der Schelm so geitzig ist.

12. Hiervon könten nun vielmehr Erzehlungen beygebracht werden / welche zu andrer Zeit folgen sollen. Es ist aber ausser zweiffel / daß der böse Feind ein Ursacher und Stiffter solcher Abenteur / und ob sich gleich solche Gespenste fromm stellen / und es den dienstbaren Geistern dem Allmächtigen nachthun wollen / so ist es doch nur falscher Schein / und erweist der Außgang daß sie den Menschen zu verderben suchen. Viel andrer Gestalt sind die Heiligen zu der Zeit der Auferstehung Christi / wie auch Moses und Elias / auf dem Berge Tabor erschienen / und der Engel / welcher Petrum aus dem Gefängnis geführet /und sagt dorten der Apostel recht daß man die Geister prüfen sol / ob sie aus Gott sind. Die Heyden haben behaubtet / daß dreyerley Geister. 1. Der Lebendigen /welche sie Genios oder Schutz Engel genennet. 2. Der Wolverstorbnen / welche sie aber mit dem verwesenen und stinkenden Leichnam nicht mehr vereinen /so sie Penates oder[407] Haußgeister / und 3. Der übelverstorbnen Poltergeister / Lemures geheissen.


Der böse Höllengeist kan sich geschwind verstellen:

in einen guten Geist. Durch Laster Schand und Sünden

kan er / mit Ergernis / mehr zu verderben finden.

Weh denen die sich kühn zu Gottes Feind gesellen!

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 403-408.
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