(CXXIV.)

Straffe der Meuchellist.

[425] Die Geschichtschreibung nutzet nicht allein in Bemerkung der löblichen Helden Thaten / sondern auch in Beobachtung der sträflichen Begebenheiten geringer Personen: jene nachzuthun / diese zu verhüten und sich zu beobachtē / daß man nicht von den Land[425] und Leutbetriegern berucket werde: massen die Armut ihrer viel so listige Renke ersinnē machet / daß fast schwer ist sich aller Orten für zusehen. Dessen wollen wir zum Beschluß dieses fünfften Theils zwey Exempel / die sich 1626. begeben / beybringen / und alsdann uns wieder zu andern Sachen wenden.

2. Zu S. Angely in Frankreich ward geboren Jacob Balloufrau / eines Advocaten / oder gerichtlichen Fürsprechers zu Bordeaux Sohn. Von diesem seinen Vaterland / nennte er sich den Freyherren von S. Angel. Dieser war von Jugend auf ein scharffsinniger / aber an Sitten gantz unartiger Student / daß er auch in gar kurtzer Zeit seine väterliche und mütterliche Verlassenschafft mit seines gleichen durchgebracht / und einen bösen Namen dargegen bekommen. Ja er hatte noch mehr verzehrt / als er vermochte: Ich wil sagen /er machte viel Schulden / welche ihm bedrauten / mit der grünen Hauben (le bonet verd) die das Schandmahl ist derer so nicht zahlen können / und durch überfluß und üppisches Leben ihre Güter vergeudet.

3. Diesem nun zu entfliehen / nimmt er seinen Weg in Auvergne / da er einen Verrähter spielte und ihrer viel falsch angabe / und endlich in Gefahr stunde /daß er als ein arger Fuchs / in seinem Bau möchte gefangen werden: deßwegen er von dar entkommen /und in Champagne geraiset / da er sich zu Chaalons /mit einer Anna Rolant genamt / verehlichet. Diesem seinen Weib / entwendet er ihr Geld und Geldswehrt /kleidet sich darvon prächtig / und nimmet zu Montpellier noch ein Weib Francisca von Portuil genennet. Weil er aber befürchtet / er möchte außgekundschafftet werden / beraubt er auch diese / und nimmet seinen Weg nach Brüssel / da er sich wieder verheuratet mit Catharina von Mildeburg / die vermeinte / daß er mit grossem Reichthum begabt were.

4. Bevor er nun nach Brüssel kommen / ist er in Heuratshandlung mit einer Jungfrau zu Dyon gestanden / und darüber in die Gefängnis kommen / daraus er gebrochen / und nach Paris entloffen. Er[426] hatte zwar kein Geld / aber so viel List / Höfligkeit / und Beredsamkeit / daß er sich bey grossen Herren bekannt machen konte / und nach dem er viel außgekundschafftet / hat er bey dem Geheimen Rath vorgegeben / er wisse. 40. vorneme Herren / welche mit dem König in Hispanien Briefe wechslenden / und solche nach Brüssel einem Genueser zusendeten.

5. Dieses wurde nicht in den Wind geschlagen /ihme also bald Gelegenheit gemacht / daß der König mit ihm selbst geredet / 200. Kronen verehret / und damit nach Brüssel abgefertiget / daß er dem Frantzösischen Gesandten aldar den Genueser weisen / und die angegebene Verrähterey offenbaren solte. Nach 6. Wochen gabe er vor / der Genueser were in Engeland übergesetzet / und daß er ihn suchen wolle. Dem damahligen Feldherren deß Königs in Hispanien /Marggrafen Spinola / hat er eine guldne Ketten / dreyhundert Kronen wehrt / und ein jährliches Einkommen von 300 Pfunden abgeschwetzet.

6. In Engeland hat er dem König so unerwarte Nachrichtung von wichtigen Sachen gegeben / daß ihm der König eine Verehrung von zweytausend Franken thun lassen / und mit diesem Geld ist er ein grosser Herr worden / und wieder in Flandern übergeschiffet / da er nach Paris geschrieben / und Alfesson einen gewesnen Secretarium / oder Geheimschreiber deß Mareschalks Ancre / welcher ein Schottländer / angegeben / daß er und sein Vater darüber in Gefängschafft gekommen.

7. S. Angel hatte zu Brüssel Hauß und Hof erheuratet / wie vorgedacht / hielte Diener / eine Kutschen und etliche Reitpferde: weil aber das Englische Geld täglich abnahme / machte er sich nach Paris / den Beutel wieder zu spicken. Alfeßon verstande / daß ihn dieser S. Angel in Verhafft gebracht / und weil er sich zu rächen viel Betrügerey von ihm sagte / wurde er auch handfest gemachet / und in die Bastilia gebracht.

8. Nach dem sich nun dieser Betrüger sehr bemühet /[427] sich aus dem Netz zu winden / und dem König wunderliche Nachrichtung ertheilet: hat er sich dadurch noch verdächtiger gemachet / massen er auch / in etlichen Sachen falsch gefunden worden / daß man ihn an die peinliche Frage gespannt / und endlich die Warheit heraus gepresset / wie er vier noch lebendige Weiber / Wittiben hinterlasse / dreyen Königen Geld abgetrogen und andre viel unzehliche Bubenstücke begangen / auch den Alfeßon ohn Ursach beklagt etc. Deßwegen er auch an dem Strang erwürgen müssen.

9. Der sich dunket klug genug /

hält den Trug für seinen Pflug /

wird nach kurtzem Trug Verzug

auf sich bringen Gottes Fluch.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 425-428.
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