(CXXXIII.)

Der verzweiffelte Meerrauber.

[456] Wie die Vögel in der Lufft ihre Feinde an vielen Raubvögeln / die Fische in den Wassern ihre Raub Fische / die vierfüssige Thiere ihre Feinde an[456] den Wölffen und wilden Katzen etc. Also haben auch die Menschen ihre Feinde / und zwar nicht wie die Thiere / aus andern Geschlechten / sondern von jhrer Natur und Eigenschafft gantz unartige Gegner. Ich sage unartig weil die Menschen aus der Natur geschlagen /welche ihrer eingeschaffnen Neigung zu entgegen /einander nach Leib und Leben stehen. Solches ist noch mehr zu verwundern / wann es mit grosser Gefahr beschihet / und auf dem unbeständigsten Element dem Meer / darvon nachgesetzte Erzehlung handlen sol.

2. Asan Calaffat ein geborner Griech / welcher den Mahometischen Glauben angenommen / hat mit seinen Galern und 7. Schiffen den Christen grossen Schaden gethan. 1626. Eine Tagraise von Alexandretta hat er ein Venetianisches Schiff angetroffen / und Tag und Nacht verfolget / daß sie es mit den Stucken erreichen / und zu fechten bringen können. Ob sich nun der Venetianische Schiffhaubtmann ritterlich wehrte / ward er doch von Asans Galeren übermannet / bestiegen und 25. Christen in die Eisen geschlagen /die Ruderbursch zu vermehren.

3. In diesem Schiffe waren drey Capuciner / welche die Infantin von Brüssel in das gelobte Land gesendet / Namens P. Clemens von Lignii / P. Yves von der Insel / unn P. Leonard von Maubeuge / welche diesen Verlauff mit allen Umständen zu Paris drucken lassen. Diese drey ließ der Meerrauber Asan in sein Schiff steigen / befahle ihnen ihre Rosenkräntze und Betbücher wieder zu geben / und von der Ruderbanck befreyen.

4. Nach diesem raubte er noch viel Schiffe / welche theils Frantzösisch / theils Venetianisch / und fande grossen Reichthum / an Barschafft und Kauffmanns-Waaren. Nechst Sicilien nam er ein Schiff mit 22. groben Stücken / und eine Tartana / welcher er etliche Tage nachgejaget / und biß unter die Stück zu Gorgente getrieben hatte. Von dar segelte er nach Sardinien / und begegnete ein Holländisches Schiff mit Getreid beladen / welches er / weil es[457] den Christen zugeführet werden solte / deß Freundschaffts Bunds so zwischen den Holländern und denen von Alcair ist /nicht wolte geniessen lassen / ausser / daß er den Haubtmann mit seinen Leuten nicht zu Ruderknechten machte.

5. Also kam Asan wieder nach Alcair mit grossen Raub / und verhoffte deßwegen aller Seerauber Haubt zu werden. Von dar hebt er den Anker auf / und segelt wieder gegen Sardinien / wird aber bald von 15. Galeren der Christen erkundschafft / welche gesammt den Seeraubern zu begegnen außgefahren. Drey Galern waren deß Pabsts unter Alexander Felicina einem Ritter von Malta: 8. derselben waren Spanisch unter dem Befehl Jacob Piementels / und 4. Florentinisch deren Haubt Julius Montanto. Diese hörten nun von ihren Schiffwachten / daß 12. Schiffe von Algair in der Nähe / welche vermutlich Seerauber / da sie dann also bald denselben nachzusetzen sich verglichen.

6. Dieser Asan ist ein Zauberer gewesen / und hat alle Abend / wann die Sonn ist untergangen / ein Buch auf seinen Tisch gelegt / welches sich selbst eröffnet / und ihme durch zween Pfeil zuverstehen gegeben / was er thun oder lassen solte / ob er Glück oder Unglück haben würde etc. Als er nun der Christen Galern auf ihn ankommen sehen und aus seinem Buch nichts davon vernommen / hat er nochmals nach geschlagen / und in dem Buch gefunden / er werde noch gefangen / noch sein Schiff in der Christen Hand kommen / welches beedes geschehen / aber viel auf eine andre weise / als es Asan verstanden.

7. So bald nun der Florentinische Galeren eine voraus gesegelt / mit dem Rauch ein Zeichen gegeben wie gebräuchlich / und durch einen Loßschuß ohne Kugel gefragt / ob Asan Freund oder Feind? hat er also bald geantwortet / mit einem scharff geladnen Schuß / und den rohten Fahnen aufgestecket. Darauf 8. Galeren wie ein halber Mond sich zusammen gethan / und die Galione des Asans angegriffen / welche 46. grosse / und 6. kleine metallene Stücke auf[458] hatte /benebens 300. Mann. Die ůbrigen 8. Galern machten sich an die andren Raub Schiffe / und zwangen die Türken daß sie von der grossen in Sicilia genommenen Tartana in Asans Galion weichen und solche verlassen mussten.

8. Nach dem nun das Gefecht zwo Stunden gewäret / und die Segel durchlöchert / die Mast zerbrochen /die Schiffe zerdrümmert / und die Seile zerstücket /haben sich zwey Türkische Schiffe ergeben / andre zwey die Flucht genommen / und das Holländische Schiff / von welchem vor Meldung geschehen / ist gleichfals von den Türken verlassen worden.

9. Asan sahe seinen Verlust und opferte auf Mahometanisch ein lebendiges Lamm / dergestalt daß er solches in vier Theil zerstückte / und gegen die vier Theile der Welt in das Meer warffe / guten Wind dardurch zu erlangen: Und ob er wol sonsten dardurch dienendes Wetter erhalten / hat es doch diesesmals nicht helffen wollen / sondern die Meerstille hat ihn gleichsam angehalten / und den Christen völligen Sieg in die Hand gegeben / daß sie auch die entflohenen Schiffe wieder eingeholet / und übermeistert.

10. Asan sahe sich zwar halb überwunden / seine andern Galeren erobert / den dritten Theil seiner Soldaten todt / sein Schiff durchschossen / doch verliesse er sich auf seine Propheceyung / und wolte sich nicht ergeben / sondern wehrte sich ritterlich / daß auch der Meerherr Piementel mit einem Stück getroffen / und bald hernach gestorben. Der Streit hatte neun Stunde gewäret / weil die Christen Asans Galion nicht zu Grunde schiessen / sondern erhalten und erobern wolten. Als er nun seine Sachen in verzweiffelten Zustande gesehen / daß er fernern Widerstand zu thun nicht vermochte / hat er entschlossen / den Reichthum seines Schiffes den Christen zu entziehen / und mit diesem Vorsatz alles Gold / Silber / und was nur schetzbar bey sich gehabt / in das Wasser geworffen / welches / nach dem Inhalt eines Zettels / so hernach gefunden worden / auf zweymal hundert und funfzig tausent Kronen beloffen. Den Hintertheil deß[459] Schiffs hat er selbst in Brand gestecket / und eine junge Dirne /deren er sich gebrauchet / in das Feur geworffen: sich auch selbst in das Meer gestürtzt / von dar er durch die kleinen Schifflein wieder ist aufgefangen worden.

11. Als nun die Soldaten das brennende Schiff besiegen / in Hoffnung noch gute Beute zu finden /haben sie die drey Capuciner und 36. gefangene Christen welche unten in dem Schiff waren / erlediget / in dem die gantze Galion in Brand geraten / daß alle sich zu retten auf die kleinen Schiffe fliehen und in das Wasser springen mussten. Etliche sind ersoffen /etliche durchschwimmen / etliche auf Brettern und Balken darvon kommen / etliche verbronnen / etliche mit dem Schiff zu Grund gesunken / und hat ihnen wegen deß Brands niemand zu Hülffe kommen können / daß sie also Feuer und Wasser (ohne welche der Mensch nicht leben kan) zu feinden gehabt.

12. Unter denen die auf Balken darvon kommen /sind die drey Capuciner gewesen / unter welchen der eine von dem gescheiterten Schiff in das Haubt verwundet / und an einer Lantzen in eine von den Florentinischen Galern gezogen worden. Von den Soldaten die plündern wollen / sind bey 60. todt geblieben. Der grosse rote Fahnen ist von einem aus dem Meer gefischet / und hernach in der Kirchen S. Clara zu Rom aufgestecket worden.


Wer sein Leben leichtlich wagt

und beliebet die Gefahr /

sucht das Holtz zu seiner Baar /

und wird endlich gar verzagt.

Keiner sol denTod verachten /

und sich ohn Beruff und Noht

wagen mitten in den Tod /

nach viel Geld und Gut zu trachten.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 456-460.
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