(CXLIX.)

Der Rachgeist.

[525] Wie ein gutes Gewissen ein tägliches Wolleben ist in den Sprüchwörtern am 15. also muß in dem Gegenstand ein böses Gewissen / eine all tägliche Marter und Plage seyn: daher die Poeten gedichtet / daß die Nemesis oder Rach-Göttin eine Höllen Furien / oder rasende Unhuldinne sey / welche die Mörder mit einer Peitschen von feurigen Schlangen Nacht und Tag quäle und peinige. Ob nun wol ein solches Gedicht /findet sich doch das Werck bey denen welche Brandmahle in ihrem Gewissen haben: das ist / sich mit vorsetzlichen Sünden vergriffen / und unaufhörlich einer bösen That ůberzeuget worden.

2. Ein solcher war Galesio / mit diesen Namen wollen wir einen Teutschen Edelmann / dessen Geschlecht in Franken und Schwaben wolbekant / bemerken. Dieser lebte auf seinem Rittergut in dem Wittib stand / und hatte auß seinem Ehebett erzeugt eine schöne Tochter und etliche Söhne / welche sich im Kriegswesen aufhielten / und zu Hause nicht hinter dem Ofen sitzen wollen. Was es fůr eine Beschaffenheit mit Verheuratung der Adelichen Jungfrauen / ist bewust; daß nemlich sie nach Stand außstaffiret / und darmit von allē den Gütern weg gewiesen werdē.

3. Weil man nun dieses bewegliche Gut nicht gerne / ohne beylage deß Sonnen Metalls / erkauffet / hatte diese Rosina noch Buler noch Freyer. Die Frucht war zeitig niemand wolt sie abbrechen / daß sie also verderben / oder an ein unsauberes Ort fallen musste. Der schwache Werckzeug mochte den starcken fleischlichen Begierden nicht widerstreben / und[525] fande sie eine Gelegenheit / in welcher sie sich zu sündigen nicht enthalten kunte.

4. Ihr Herr Vater hatte einen Verwalter / den er hin und her auf seine Güter verschicket / und die Rechnung ůber Ein- und Außnahm führen lassen. Dieser war der Stein deß Anstosses / daß sie nach täglicher Kundschafft / in vertrauliche und sündliche Liebes-Brunst gefallen / und wie wir hören wollen / darinnen umkommen. Die Schuld ist beeden zuzumessen / und wusten sie wol / daß ihre Handlung / wegen Ungleichheit deß Standes / zu keiner Ehe hinaus schlagen konte / und daß der alte Edelmann darein nicht willigen würde / doch verhofften sie seinen Tod / und alsdann mit einander getraut zu werden: inzwischen aber begunten sie / was sie hetten unterlassen sollen.

5. So heimlich nun dieses geschehen / hat es doch endlich Galesio beobachtet / und sich an diesem Jungfrauen Schänder zu rächen gedacht. Lässet sich deßwegen keines Widerwillens vermerken / sondern stellet seinen Schmied an / der auf seinen Raisen / sein vertrautster Diener gewesen / daß er hinter einem Busch / mit einem gezognen Rohr den Verwalter erwartet / und / weil der Edelmann ihn auf das Feld geschicket / niederschiesset. Der Schmied rettet sich mit der Flucht / wiewol niemand darbey gewesen / und kein Verdacht wegen dieser Mordthat auf ihn gekommen were.

6. Galesio betrauret diesen Todesfall mit eusserlichem Schein / Rosina aber von gantzem Hertzen / unn war diese Anstifftung niemand / als dem Schmied bewust / der entflohen: daß also der Edelmann sich keiner Bestraffung der Obrigkeit zu befahren. Gott aber sahe es / und wolte es richten / welchem Gottloses Wesen nicht gefallen kan / und der da straffet alle die böses thun / zeitlich / damit solche Freveler erfahren daß Er gerecht seye: oder ewig / daß sie nicht in den Wahn geraten / es sey kein ewiges Leben nach diesem zu hoffen.

7. Nach dem der Leichnam deß entleibten Verwalters begraben (der sonder zweifel in allen seinen Sünden ohne Reue dahin gestorben / weil ihme[526] die Kugel durch den Kopf gegangen / daß er sich nichts verwust / und auf solche Raise aus diesem Leben nicht bedencken können) ist seine Gestalt / oder vielmehr der böse Geist in seiner Gestalt dem Edelmann so Tags so Nachts erschienen / und ihn geängstiget / daß er nicht gewust in seinem Schloß / oder auf dem Felde sicher zu seyn. Diesen Geist sahen andre nicht / sondern allein dieser Meuchel-Mörder / welcher gantz ohne Ruh lebte.

8. Hierüber hat er nun etlicher frommmen und Gottesfürchtigen Männer Raht in Vertrauen einholen lassen / welche ihn zum Gebett und eifriger Busse ermahnet / die doch nicht verfangen wollen. Andre haben ihm geraten er solte sich bey der Obrigkeit selbst anklagen / und üm gnädige Bestraffung bitten /weil er sonsten keine Ruhe haben / und zubefůrchten /der böse Feind würde ihn endlich / wenn Gott seine Hand von ihm abgezogen / leibhafftig besitzen.

9. Was erfolgt aber? Dieser letzte Raht ist dem Edelmann auch nicht anständig. Er thut Buß / betet /erkennet sein Unrecht / daß er den Verwalter / wegen solches Verbrechens / zu Oberherrlicher Abstraffung hette stellen sollen etc. und also lässet sich das Gespenst selten sehen. Als er aber einsten auf der Jagt von seinen Leuten kommen / ist er in einen Thal todt gestürtzet gefunden worden: daß zu vermuten / der böse Geist habe ihn gezwungen / daß er sich über einen Berg hinab gestůrtzet / und also sich selbsten ům das Leben gebracht.

10. Rosina hette sich nun nicht wenig über dieses ihres Vatern und zuvor ihres Bulen Todt bekümmert /und ihr dieses Unheyl alles zugemessen / als der er sten Ursache ihrer unziemlichen Liebe. Weil sie nun solches ernstlich bereuet / wird ihr Gott ihre Sünde vergeben / und sie für fernerer Gefahr / nach seinem gnädigen Willen / behüten. Inzwischen aber sol dieses eine Lehre seyn allen / die der Satan in den Unzuchts Banden herum führet / daß daraus ein böses Gewissen / Mord / Todschlag / Haß / Neid / und wann es am besten hinaus gehet / die Armut erfolget.[527]

11. Wir sollen uns eines guten Gewissens befleissigen / welches der H. Paulus seinen Ruhm nennet und seine Herrligkeit 2. Cor. 1. Ein böses Gewissen aber beschreibet Job / mit allen Umständen / am 15. Cap. v. 20. Der Gottlose / sagt er / bebet sein lebenlang /und den Tyrannen ist die Zahl seiner Jahre verborgen: was er höret das schrecket ihn / und wann es gleich Friede ist / so fürcht er sich der Verderber kommt /glaubt nicht / daß er möge dem Verderber entrinnen /und versiehet sich immer des Schwerts / Er zeucht hin und her nach Brod und duncket ihn die Zeit seines Unglücks sey verhanden: Angst und Noth schrecken ihn / und schlagen ihn nieder / als ein König mit seinem Heer etc. Das diesem also / hat sonders zweiffel auch erfahren Galesio von welchen wir in dieser Geschicht geredet.

Wer sich jederzeit beflissen /

Ruh zu haben im Gewissen /

wird der Tod seyn ohn verdrüssen

seine Lebens-Zeit versüssen /

und der Seeligkeit geniessen!

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 525-528.
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