(CLXXXV.)

Die verzweiffelte Rach.

[665] Der weise und machtige König Salomon pflegte ein zweyschneidiges Schwert in einer güldnen Scheiden an der Seiten zu tragen. Dieses ersahe ein Weib und wolte das Königliche Gewehr von deß Königs Gürtel reissen / wurde aber von seinen Trabanten verhindert. Es trate auch hinzu ein Narr / und wolte dem König das Schwert abnehmen / weil er vermeinte solches besser und klüger zu gebrauchen / als der König. Wie ihm nun Salomon das Schwert nicht lassen wolte /weil er befürchtet daß er andern und auch ihme darmit Schaden zufügen wůrde / hat der Thor angefangen zu fluchen / und zu schelten / daß er ihn von seinem Angesicht in Verhafft müssen führen lassen.

2. Diesen hette man fragen können / wie Gott Jonam / meinest du / daß du billich zürnest? oder was Christus zu den Kindern Zebedäi gesag: Ihr wisset nicht / was ihr bittet. Es ist aber ein jeder Rachgieriger ein solcher Thor / daß er dem allerhöchsten Gott /[665] der mehr ist / als Salomon / sein Rach- und Machtschwert aus den Händen reissen wil / andern und auch ihme zu Schaden. Mein ist die Rache / ich wil vergelten / sagt er selber / und wer dieses Schwert nimmet /der wird durch dieses Schwert umkommen / wie nachgesetzte Geschicht unter vielen andern beglauben wird.

2. Ein Spanischer Ritter Don Riviero genamt in der Insel Majorica wonhafft / hatte unter andern einen Moren zu einem leibeignen Knecht / und straffte ihn mit so viel Streichen / daß man vermeinet der Mohr würde das Leben einbüssen: da er doch hette betrachten sollen / daß der so wenig nutzen mag / doch viel Schaden anrichten kan.

3. Nach solcher übermässigen / und dem Verbrechen gantz ungleichen Bestraffung / stellet sich besagter Mohr an / als ob er alles vergessen / und er seinen Herrn liebte und mit aller Schuldigkeit zugethan were / die Gelegenheit erwartend seine Rache werkstellig zu machen: nach Cardani (in Proxeneta) Lehre / daß man die Feindschafft nicht solle blicken lassen / man habe denn die Mittel in handen / solche auszuůben und sich zu rächen.

4. Riviero hatte ein vestes Berghaus / welches nur eine und zwar enge Anfurt / mit einer Schlagbrůcken versehen / daß der Ort ohne grobe Stücke für unüberwindlich gehalten wurde. Weil eine geraume Zeit verflossen / und der Herr der Straffe besser vergessen /als der listige Knecht / hat man ihm getrauet / wie zuvor / weil er sonderlich keinen Wiederwillen noch in Worten noch in Werken verspüren lassen.

5. Als nun Riviero einsmals auf der Jagt / ziehet dieser treulose Mohr die Schlagbrůcken auf / und bindet seine Frau darinnen auf ein Bett mit allen Vieren /schändet sie / darüber sie und ihre Kinder / welche er in eine Kammer versperret / ein solches Geschrey anfangen / daß die Unterthanen lauffen / und es ihrem Herrn auf der Jagt anmelden / der unverzögert nach Hauß geeilet.[666]

6. Der Mohr kehrte sich nicht an seines Herrn gut und böse Wort / sondern stürtzet seinen ältesten Sohn / welcher das siebende Jahr noch nicht erreichet / über den Felsen hinab / daß er sich zu todt und in viel Stücke gefallen. Mit was blut trieffenden Hertzens-Threnen der Vater solches angesehen / ist unschwer abzunehmen: Doch gabe er gute Wort / und verhoffte seine überige Kinder diesem verteuffelten Mohren aus den Klauen zu reissen.

7. Der Mohr liesse sich in Handlung ein / jedoch mit diesem Beding / daß sein Herr ihme selbsten die Nase abschneiden solte. Der betrůbte Edelmann liebte sein Weib und seine Kinder / und wolte auch dieses Lößgeld fůr ihr Leben nicht versagen / sondern schneidet ihm die Nase ab / darüber sich der Mohr sehr frölich erwiesen: jedoch von seiner angefangenen Grausamkeit versprochner massen nicht abstunde /sondern seines Herrn Einfalt spottete.

8. Was thut der Verrähter? er nimmet die andern zwey Kinder zerschmeisst sie an den Felsen und wirffet sie gleichsfals hinab in das Meer. Ob nun wol alle darum angesessne zugelauffen / und mit schreyen und flehen ihn zu hindern vermeinet / hat er doch nicht innen gehalten / sondern ist fort gefahren / und hat die halb-todte Frau / (welche er geschändet zu haben bekennte) auff die Mauren gebracht.

9. Dieser schneide er die Gurgel mit einem langen Messer ab / und stürtzet den Leichnam gleichsfals hinunter. Was der Nasenlose Herr zu dieser That gesagt / oder vielmehr aus Hertzen Angst nicht sagen können / wird billich allhier mit stillschweigen ůbergangen. Sonders zweiffel hat er in seinem Hertzen auch ein erschröckliches Urtheil / über diesen Ertzmörder gefället / und auf die Art deß schmertzlichsten Todes gedacht / so jemand ein Mensch erlitten.

10. Aber dieser Gegenrache ist der Mohr vorkommen / und hat sich selbsten ůber den Felsen in das Meer gestürtzet / auf welchem er sich zerschmettert und elendiglich / jedoch noch lang nicht nach seinem[667] Verdiensten zu Tode gefallen. Riviero betraurte seinen Tod / welchen er gewiß auf viel andre weise zu verordnen bey sich beschlossen.

11. Sonderlich aber traurte er billich ob den Schandmahl / welches er ihm selbsten / durch Betrug dieses Mohren angehängt / und wuste sich wegen so grosses Verlustes auf keine weise zu trösten. Sein Schloß liesse er durch seine Unterthanen mit Leitern übersteigen / und hat sein Leben in grosser Traurigkeit zugebracht.

12. Diese Geschicht ist Spanischer Italianischer und Frantzösischer Sprache beschrieben / mit noch mehr kläglichen Umständen und Gesprächen so zwischen bemeldten Personen gewechselt worden seyn sollen. Wir befleissen uns der beliebten Kürtze / und nehmen daraus folgende Lehre:


Wer einen eignen Knecht für keinen Menschen hält /

sich grausam / wie ein Löw / und wie ein Parder stält /

Der wisse daß ob ihm ein grosser Herr wil walten /

und ihn zu seiner Zeit die Straff kan vorbehalten.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 665-668.
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