(CXC.)

Die bestrafften Spötter.

[681] Als die Thiere erfuhren / daß der Mensch über sie alle zum Herrn gesetzet worden / und sie jhn fürchten solten / beschwerten sie sich dessen unter einander / und sprachen: Den wollen wir nicht zum Herrn haben /der seinem HErrn untreu worden / und ihm nicht gehorchen wil. Wie sol uns der regieren / der sich selbsten nicht regieren kan? wie sol uns der wol fürstehen / der das schädliche für das nützliche wehlet? wie sollen wir den fürchten / der nichts als Erd und Aschen ist?

2. Hierüber gehen sie zu Raht / und wollen das Pferd zum Herrn machen / weil es so freudig ist. Nein sagt der Löw / ich als der stärkste sol König seyn: Ich der gröste / sagte der Elephant. Nein / ich der getreuste / sagte der Hund. Nein / ich der wachsamste / sagt der Haan. Nein / ich der listigste / sagte der Fuchs. Ach nein / sagte die Lauß und die Floh /[681] wir sollen deß Menschen Herrn seyn / weil wir von deß Menschen Schweiß und Blut entsprungen sind.

3. Da die andern Thiere dieses hörten gaben sie ihnen alle die Stimmen / daß sie solten Herren seyn ůber alle Geschöpfe / und gaben ihnen die Freyheit sich von dem Menschenblut zu sättigen / bey denselben zu wohnen / und mit ihrem Stachel zu erinnern /daß sie in ihren stoltzen Muth erkennen möchten /daß sie auch durch das kleinste Thürlein verunruht und belästiget werden können.

4. Dieses ziehen wir auf die Spötter. Sie sind Läuse und Flöhe / die sich von andrer Leute Unflat nehren /der grössten Häubter nicht verschonen / und mit ihrem Stachel mehr beschwerlich als schädlich sind. »Wie es aber den Läusen und Flöhen zu ergehen pfleget / also widerfährt auch den Spöttern / kan man sie erhaschen so müssen sie es mit der Haut« / oder doch mit gleicher Gegen Beschimpfung büssen / wie wir aus folgender Begebenheit vernehmen werden.

5. Zu Cölln am Rhein hielte sich vor Jahren ein Mönich / welcher einen grossen Schein der Heiligkeit gefůhret / hat sich aber hernach in kurtzer Zeit geändert / daß man wol sehen können / daß seine Gottesfurcht nur Heucheley gewesen. Was man ihm aus der heiligen Schrifft gesagt / ist ihme Gespött gewesen: ja er ist mit lästerlichen Worten heraus gebrochen / und hat von dem heiligen Nachtmal so unflätige Wort ausgestossen / daß solche ohne ärgerliche Sůnde nicht können ausgesprochen oder gelesen werden.

6. Dieser Spötter hat es aber nicht lang getrieben /sondern als er eines Jünglings / der ihn zu Lesung gottseliger Bücher angemahnet / gespottet / hat er ihn mit einem Stab in den Hals / und auf das Gnicke geschlagen / daß man ihn nach seinem Kloster tragen müssen / da ihme die Rede verfallen / und mit gantz ungeduldigen Geberden den Geist aufgegeben.[682]

7. Von diesem schreibt Wilhelm Faber von Hylden / daß er einen solchen Gestank von sich gegeben / daß die Todtengräber ihn nicht begraben wollen / sondern hat von den Firmern oder Privetfegern / welche mit grossem Gelde darzu erkaufft worden / müssen zur Erden bestattet werden. Diesen Gestank hält besagter trefflicher Wundartzt für eine übernatürliche Straffe Gottes / weil noch das Geblüt in so kurtzer Zeit verfaulen mögen / noch sich ein Geschwer in dem Leibe samlen konnen / dessen Anzeichen man nach dem Tod nicht hätte spüren sollen. Dieser Faber schreibet /daß er sich mehrmals unterstanden diesen Spötter zubekehren / habe aber bey ihm nichts außrichten mögen.

8. Welche sich gestellet / als ob sie mit dieser oder jener Krankheit behafftet wären / haben solche durch ihre Gespött an den Halß bekommen. In Westphalen wurden etliche Studenten beraubt / und ausgezogen /diese eilten auf ein Schloß zu / der Hoffnung sich für den Regen und Kälte aldar zu versichern / und wieder zu alten Kleidern zu gelangen. Der Edelmann liesse ihn durch seinen Diener sagen / daß er ihr Unglůck mitleidig verstanden / könte ihnen aber (wiewol er wuste daß an einem andern Ort seiner Botmässigkeit /sich die Rauber aufgehalten) nicht helffen / oder sie fürkommen lassen weil er grosses grimmen in dem Leib fühlte. Die Beraubten musten sich in einem Stall / ohn essen und trinken behelffen und also ohne Kleidung weiter raisen. Der Edelmann aber bekame die erdichtete Krankheit würklich / und wurde wenig Tage hernach zu Grabe getragen. L. Guyon. l. 1. c. 20.

9. Ein Student spottete seiner hinckenden Schwester und bald hernach gienge ihm ein Leibsfluß in das Bein / daran er die Zeit seines Lebens hinken müssen. Guyon etc.

10. Ein Abbt solte zu seinem Bischoff kommen: entschuldigte sich aber mit dem Seiten stechen / welches er doch nicht hatte / wenig Tage aber hernach /muste er an besagter Krankheit darnieder liegen / und[683] hatte die Zeit seines Lebens keine gute Stund mehr. Guyon.

11. Zu Lyon war ein reicher aber gantz ungelehrter Mann / der pflegte von allen Sachen kühn zu urtheilen / und von niemand wol zu reden. Diesem Spötter gabe Gott lange Zeit zu der Buß / als er aber von Tag zu Tage böser und nicht besser wurde / fühl ihme ein Fluß auf die Zungen Adern / daß er noch reden noch hören könte / welches jedermann für eine Straffe Gottes gehalten.

12. Die Eltern sollen also nicht geschehen lassen /daß ihre Kinder der Blinden / Lahmen und Hinkenden oder Krummrückigen spotten / weil sie solche böse Gewohnheiten biß in das Alter behalten / und mit der Straffe als andre heimgesuchet werden können.


Wer deß kranken Nechsten lachet /

ihme selbst zu weinen machet:

Dann der allein treue Gott /

hasset allen Frevel Spott.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 681-684.
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