(XVII.)
Der Schönheit schöner Todt.

[73] Die Schönheit / welcher in vorgesetzter Erzehlung Meldung beschehen / ist eine Gabe / welche die Weibspersonen so hoch als ihr Leben achten / viel wünschen nicht längere Jahre / als in welchen sie solcher Beschenckung der Natur prächtigst geniesen / und wollen lieber todt als ungestalt seyn. Eine Kranckheit oder das Alter / welches sie um ihre Schönheit bringt / ist niemals willkomm / weil sie wissen / daß über den schönen alten Weibern die weissen Raben fliegen; ich will sagen / daß solche ohne Wunderwerck nicht anzutreffen. Die Lentzenjahre verschleussen mit der Kindheit / der Sommer inbrünstiger Liebe / das reiffere Alter weiset zwar einen lieblichen Herbst / der Winter aber ist keines Schminkens fähig / welchen die Runtzel nicht solten überwinden / und die trieffenden Augen nicht abwaschen. Alte Spiegel sind den alten Weibern falsch / und fragten sie gerne: Weß ist dieses Angesicht / wann sie dann sehen müssen / daß solches ihnen zustehet / so möchten sie das unhöffliche Glaß gern lügen straffen / und zu Stucken werffen.

2. So vielmehr war zu loben Portiana Eutichi eines Edelmanns Eheweib / welcher seine Güter zu Lehen truge von Crescentian einem Hertzogen in Catalonien. Eutichus / ein verständiger Mann / setzte kein Mißtrauen in sein Weib / ob sie wol von ihrer sehr vielen / wegen ůbertreflichen Schönheit / gehöfelt wurde.[73]

3. Crescentian der Hertzog verliebte sich in diese schöne Vasallin / oder Unterthanin / und sparte noch freundlicher Wort / noch freygebige Beschenckung / diese ehrliche Frau zu verunehren. Er gelobte ihren Mann zu hohen Diensten zu befödern / ihre Güter zu mehren / ihre Kinder zu versorgen / und im Ende zu thun / was ihm befehlen würde. Diesem allen wolte sie kein Gehör geben / sondern beantwortet so gnädiges Anerbieten mit demütiger Bescheidenheit / daß der Hertzog je mehr und mehr enzündet wurde.

4. Als er nun mit gutem nichts richten kunte / ziehet er stärckere Seiten auff / und drauet / daß er mit Gewalt nehmen wolte / Was sie ihm mit Willen zu ertheilen versagte / und nach dem sich dieser Löw sehr grimmig gestellet / ist sie entsprungen / und hat ihre Schönheit die Ursach solcher Gefahr aus dem Weg geraumet. Wie aber?

5. Sie wäschet das Angesicht mit Scheid- oder Kupferwasser / und machet es blattericht und verbrennt / als ob sie den Aussatz gehabt / daß sie mehr ein Artzney wider die Liebesbrūst als desselben Entzündung seyn können. Crescentian hatte ein Abscheuen für ihr / und seine unziemliche Flammen sind mit diesem Wasser außgelöschet / oder ja von Portiania geschieden: Hingegen aber hat er dieses Tugendweib sehr gerühmt / und was er versprochen / einen als den andern weg vollständig gehalten: ihren Mann befördert / ihren Kindern Unterhalt verschafft / und sich nicht als ein Oberherr / sondern als ein getreuer Freund gegen sie verhalten; welches alles / wann sie in sein sündliches Beginnen verwilliget / wol verblieben were.

6. Ihr Mann liebte auch deßwegen nit minders ihr schönes Gemüt / welches unter dem heßlichen Angesicht herauß geleuchtet / und von ihm schätzbarer geachtet wurde / als zuvor die leiblich-liebliche Gestalt: er erfreut sich täglich / wann alle / die von dieser That gehört / sie zu schauen kommen / und beede glückselig gepriesen / in deme sie eine so friedliche Ehe besessen / die das Tugenband mit einer so löblichen und weiblichen Helden-That verknůpffet.[74]

7. Diese Nachfolge solte vielen schwer unnd unthunlich fallen / massen die entfliehende Eitelkeit dergestalt wehrter gehalten wird / als sie nicht ist. Ein jeder Tag bricht eine Blum von solcher Zier / und kan ihre Tyranney nicht lang dauren / weil sie meinst in dem Wahn bestehet / und noch der Zeit keine Jungfrau gefunden worden / die allen und jeden wolgefallen. Gleich wie Gott straffet / welche sich ihrer Schönheit übernemen / also begnadiget er auch die jenigen / die solcher zu sündigen nit mißbrauchen. Hiervon ist viel zu lesen in den Gesprächspielen und sonderljch in dem XIII. und XX.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. LXXIII73-LXXV75.
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