(XXXI.)
Der betrogne Geitz.

[120] Es sagt das teutsche Sprichwort: Der Geitz sey sein selbst Stiefmutter / ich wil sagen / daß er auch sey seine eigne Höllle. In dem der Geitzige niemand gutes thut / auch ihm selbsten nit / kan er wol einer gehässigen Stiefmutter / oder einem Esel verglichen werden / der mit Wein und Brot geladen ist / desselben aber nit geniesset. Wann aber einer viel zu gewinnen vermeint / in dem er verliert / kan man wol sagen / daß ein solcher ihm keine Freunde machet mit dem ungerechten Mammon / und daß ihn niemand aufnehmen wird in die ewige Hütten; Sondern daß er seinen Theil dahin / und dort sein Gelt schmeltzen wird bey dem Fürsten dieser Welt / welcher ist der höllische Pluto: hier aber wird seine Höllen-Plage angehen / in unaufhörlicher Traurigkeit / wie aus folgender Erzehlung nachgehends zu verstehen seyn wird.

2. In der Normandia / einer Landschaft in Franckreich / welche von den alten Nordmännern oder Schweden ihren Namen erhalten / haben die Innwohner den Ruhm / daß sie durchtriebene verschlagne Leute / die alle andre zu überlisten pflegen. Klug seyn ist kein Laster; aber die Klugheit übel anwenden[120] und böses dardurch außwürcken / das wird von keinem Verständigen gelobet werden: wie aber die Liecht-Kertze nit schuldig / daß die Mucken die Flügel verbrennen; also ist zu Zeiten der Betrug dem Geitz zuzumessen / und nit dem / der dieses oder jenes verursachet.

2. Candre und Rigobert zween von Adel gleiches Stands / aber wegen deß Rechts der Erstgeburt gantz ungleiches Einkommens. Candre rüstet seinen Brudern aus / mit einem Pferd / Knecht / und 50. Cronen in dem Beutel / daß er sein Glück in Kriegswesen suchen solte / welches er aber unferne davon bey einer adelichen / tugendreichen / aber Geltarmen Jungfer zu finden vermeint / daß die Dürftigkeit mit Fug sein nächster Nachbar hette können genennet werden.

3. Dieser Rigobert hatte sich nun jung verheuratet / und die Mittel einer grossen Anzahl Kinder zu bekommen / massen sich sein Weinstock üm den Tisch so reichlich und reiflich von Jahr zu Jahr außgebreitet / daß er vor den Aesten nit wol in die Schüssel langen können. Unter andern aber hatte er 2. mannbare Töchter / welche er gerne verheuratet gesehen hätte / und ermāglet es jnen an Buhlern gar nit / aber wol an Freyern; weil keiner gerne diese Wahr ohne Gelt kauffen / ich wil sagen / sich ohne Außsteuer in eheliche Verlöbniß einlassen wollen.

4. Diese zwo Jungfrauen hätten können verglichen werden mit einem der Schifbruch erlitten / auf einem Felsen / die Augen aufhebet und um sich sihet / ob nit ein Schif komme / und ihn weiter von Hunger / und näher zum Brotkorb führe. Es wolte aber niemand erscheinen: Die Liebe hatte keine güldne Flügel / daß sie sich biß zu dem Ehestande solte schwingen können. Doch fügte sich eine unerwarte Gelegenheit / vielleicht weil diese Jungfrauen ein untadeliches Leben führten.

6. Candre hatte mit andren jungen Edelleuten in der Nachbarschafft einen Streit / wegen ihrer Grentzen / und kommet von den Worten zu Streichen / daß er einen zu Boden stösset / als er bereit auch schmertzlichst verwundet worden. Man hatte zu selber Zeit solches Mordfechten in Franckreich von neuen hoch verbotten / daß Candre in Flandern entfliehen musste / unn in Gefahr[121] stunde seine Güter zu verlieren; deßwegen ersinnt er diese List.

7. Rigobert solte vorgeben / Candre were an seiner Wunden / weil der kalte Brand darzu geschlagen / gestorben / seinem Weib ihr Wittumb aushändigen / sich in die Güter setzen / und als der nächste Erbe alles nach seinem Willen regieren und führen / biß auf bessere Zeit / da er wider Landshuldigung und deß Königs Gnade zu erlangen verhoffte. Dieses hat Rigobert / als der nechste Erbe / so meisterlich gespielet / daß auch seine Haußgenossen nicht anderst vermeint / als were die Sache bemeldter massen beschaffen / und ist der Vater deß Entleibten durch deß Candre vermeinten Tod besänfftiget worden / daß er ihm ferners nicht nachstellen lassen / noch auf seine Güter geklagt.

8. Die Mucken / welche aus der alten Kuchen fliehen / flegen in grosser Anzahl zu / wann das Feuer wieder groß wird. Luciana und Marca die beede Töchter Rigobert / hatten bey so gewändten Glück viel Freyer / und stellte sich der Vater / als ob er Ursach hätte / sich mit seinen Kindern stoltz zu machen. Endlich aber giebt er sie / auf die Hoffnung künftiger Güter / sonder Heurat gut Eduard und Maglor / zweyen geitzigen von Adel / welche wol zu leben hatten / biß der Vater sterben würde.

9. Diese Geitzhälse vermeinten sie hätten wol gefischt / als Candre wegen einer kapfern That von Printzen von Uranien Vorschrift an dem König in Franckreich erlangt / und durch seine Freunde deß Ermorden Vatter versöhnen lassen / daß er ihn als einen der sich vertheidiget / und den Fall bereuet / verziehen / und er also den Besitz seiner Güter an Rigobert aber willig abgetretten.

10. Wie nun die Fische leichtlich in die Reussen / aber schwerlich wieder herauß kommen / also mussten die beede geitzigen Tochtermänner in dem Eheband bleiben / in welche sie sich aus falschem Wahn begeben. Candre verehrte seinen Bruder ein Stück Geltes / wegen der wolgeleisten Dienste / und erzeugete bernoch selbsten Söhne / welche seine Lehenserben worden.

11. Also mussten sich diese beede begnügen lassen mit der Schönheit und der Höfligkeit ihrer Ehefrauen / unnd das[122] Sprichwort erfahren / daß man mit Lügen und List-Heuraten flifftet / und heisset es / trau / schau wem? Die Weiber soll man mit den Ohren unnd nit mit den Augen nehmen / das ist: Wann sie ein gutes Gemüt und Lob-Gerücht haben / so ist nicht darauff zu sehen / ob sie gleich noch schön noch reich.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CXX120-CXXIII123.
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