(XXXV.)
Der Gestriegelte.

[132] Man sagt nicht sonder guten Grund / daß Gottes Mühlen langsam / aber sehr klein zu mahlen pflegen. Der Verzug der Straffe / wird mit deroselben Grösse und Schärffe ersetzet / wann das Sündenmaas erfüllet / und man mit den Lastern / als Tugenden / noch darzu prangen wil. Die beleidigte Gedult wird feuerbrennender Eifergrimm / und so barmhertzig Gott ist gegen die Bußfertigen / so unbarmhertzig ist er auch gegen die verstockten und frevlen Sůnder.

2. Ein solcher Gesell war Opilius ein Frantzösischer Rittmeister / welcher sich in unterschiedlichen Treffen sehr wol gehalten / und vermeint er seye unsterblich / weil er etlichmals der Gefahr entronnen. Nachdem er nun zu Friedens-Zeiten den Degen an den Nagel hangen müssen / hat er liederlich durchgebracht / was er zuvor in den Krieg leichtfertig erworben. Bey Tag lag er in den Spielhäusern / zu Nachts in den Frauenhäusern / und verachtete alle / die kein solches Leben führten.

3. Unter andern hatte er eine Kauffmanns-Frau zu seinem Willen beredet / und sich in Gesellschafften offtmals berühmt / er setze Anaclet / ihrem Mann / die Ochsenkron auf; man solte ihm ein Hirschgewey auf das Hauß stecken / weil sein Frau eine freye Wildbahn.

4. Unter allen Tugenden wird allein die Keuschheit mit dem Namen der Ehre genennet / und die Unkeuschheit / mit dem Namen der Schande. Nachdem nun deß Soldaten Ehrenrühriger Ruhm dem Kauffmann zu Ohren kommen / tröstet er sich zwar: daß er keine Schuld hette / an der Gebrechlichkeit seiner Frauen / deren er wegen seines Gewerbs nicht[132] hüten können. Weil er sich aber an den Rittmeister nit reiben darf / spricht er seinem Weib zu / daß sie zu einem bösen Gerücht Ursach gebe / und wann sie mehr mit Opilio reden würde so werde er verursachet werden / sie als eine Ehebrecherin von sich zu jagen / oder der Obrigkeit zu bestraffen übergeben.

5. Eudoxa lässet ihre Wolredenheit in schänden und schmähen hören / und weil sie auf deß Rittmeisters Schutz trotzet / nennt sie ihn einen alten Narren / der die jungen Weiber einsperren wolle / und erzeigt sich so herrisch / daß er ihr mit der Hand das Maul stopft / und ihr Fůnffingerkraut auf die böse Zunge leget / mit fernerer Bedrauung / er wolle sie und ihren Anhang besser striegeln / wann er sie beysammen finden werde.

6. Eudoxa bedachte bey ihr / daß Opilius ihrem Mann die Stösse mit Wucher widergeben / und ihm das striegeln einträncken solte. Opilius begegnet Anaclet / und verhebt ihm / daß er seine Frau / wegen seiner geschlagen / und wann er es mehr erfahren würde / so solte er wissen / daß er ihn zu stücken hauen wolte. Der Kaufmann sagte / daß er seine Eln mit seinem Degen nit messen könne / und habe ihm seine Frau Ursach darzu gegeben / welcher er sich nicht anzunehmen; es were dann / daß er das böse Gerücht / welches von ihm und seinem Weibe erschollen / beglauben wolle.

7. Hör / sagt der Soldat / du hast dich vernemen lassen / du wollest mich und deine Frau striegeln / wann wir miteinander reden werden. Glaub mir aber / daß ich zu ihr kommen wil / wann es mir gefält / und wann ich in deim Ehebett liegen werde / solst du nicht das Hertz haben / daß du mich einmal aufweckest. Ich wil dich zuvor abwischen wie die Pferd / eh du mich striegeln solst / und mit diesen Worten ergreift er einen Stock / und hätte dem Kaufmann seinen Rücken gemessen / wann er nicht entsprungen.

8. Bald hernach findet sich Opilius wieder zu der Eudoxa / und wird von Anaclet und noch dreyen seiner Freunde / die ihm einen Beystand geleistet / in seinem Ehebett ergriffen / ohne Wehr / Dolchen und Pistol / welches er auf dem[133] Tische liegen lassen / und sich keines Feindes versehen / weil Anaclet sich gestellet / als ob er wegen seines Handels über Lande verraisen müssen. Opilius hatte auch das Hembd ausgezogen / und wurde aus dem brüllenden Löwen / als er sich übermannt gesehen / ein gedultiges Lamm.

9. Anaclet hatte nun seinen Ehrenschänder in seinen Mächten / und ließ ihm die Füsse binden / gab ihm einen Strohwisch in die Hand / und nöthigte Opilium / daß er ihn darmit abwischen möchte wie ein Pferd. Ob sich nun Opilius entschuldigte / so muste er doch solches wider seinen Willen thun / und ihn über den Rucken und über das Haubt fahren / dardurch er Anaclet keinen Schmertzen verursachet / und um Gnade gebetten.

10. Nachdem solches geschehen / bindet er ihn mit allen Vieren an die 4. Bettseulen / und ziehet einen grossen Striegel / mit langen spitzigen Zähnen herfůr / und striegelte Opilium dergestalt / daß ihm noch die Nasen in dem Angesicht / noch das was ihn zu einem Mann machte / noch eines Thalers groß gantze Haut an dem Leib gelassen. Als er mit diesem fertig / striegelt er auch gleicher Weiß seine Ehebrecherin / und lässet beede in ihrem Blut liegen / daß sie zween Tage hernach mit grossem Schmertzen den Geist aufgegeben.

11. Diese That ist von der Obrigkeit nicht gebilliget worden / weil sie zu grausam / und Anaclet zwar nicht an dem Leben / jedoch mit Verweisung deß Landes gestraffet worden. Daher soll das Sprichwort kommen / daß man sagt: Er wird dich striegeln / etc.

12. Fast dergleichen erzehlet man von einem Glaubiger / dem sein Schuldner bedraut / er wolle ihn kratzen wann er ihn nit bezahle: darauf der andre geantwortet: so wil ich ihn beissen. Als aber dieser Schuldner in deß Glaubigers Hände kommen / hat er ihn genöhtiget / daß er ihm die Nägel abschneiden / und also wegen deß Kratzens versichern müssen: Nachdem es geschehen / hat er ihm alle Zähne lassen außreissen / damit er auch wegen deß Beissens gesichert seyn möchte.[134]

13. Die Gesetze lassen zu / daß ein Ehemann / der sein Weib auf handhaffter That in dem Ehebruch ergreifft / selbe aus rechtmessigem Zorn erwůrgen mag. In dem alten Testament hat man solche Dirne gesteiniget / und solte billich das sechste und siebende Gebott mit gleicher Straffe beleget werden; ja viel schärffer / weil man Gelt und Gut wieder geben / die Ehre aber nit erstatten kan. Wann die geilen Hängste / welche nach andre Weiber wyhren / solche Strigler vor Augen hätten / so würden sie gewißlich den Muth sincken lassen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CXXXII132-CXXXV135.
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