(CXXXII.)
Der Kinder Segen.

[132] Man sagt in dem Sprichwort: Ein Ehestand ohne Kinder ist eine Welt ohne Sonne / verstehe ohne Freude / so das liebe Sonnenliecht mit sich bringen kan / und wie ohne die Sonne nichts nit auff Erden wachsen kan / also kan / ohne Kinder das Menschliche Geschlecht nit fortgepflantzet werden. Vielen aber ist die Sonne gar zu fruchtbar / daß sie vor solchem Segen nit können in die Schüssel langen: Vielen werden auf einmal mehr Kinder gebohren / als sie verhoffet / und weil dergleichen Fälle selten / wollen wir solche von vergangener Zeit herholen / und solche Kinderreiche Mütter auff unsern Schauplatz stellen; massen man auch sonsten dergleichen Personen zu einem Schauspiel herüm zu führen pfleget.

2. Aus dem Hause von Beauville in Franckreich (aus welchem der Mareschall von Monlůc seine Gemahlin gefreyet) hat eine Princessin / die Anfrau besagter Marschallin neün Töchter auff einmal zn der Welt geboren / welche alle[132] neune sind verheuratet worden / und begraben liegen in der Haubtkirchen zu Agen / welche geweyhet ist S. Crepasi / und von dem Hause der Herren von Beauville erbauet worden. Die Geschichte verhält sich also: Anna von Beauville eiferte mit ihrer Kammermagd / weil sie schön und mit ihrem Herrn zu reden pflegte. Fernere Gemeinschafft zu verhüten / bringt sie zu wegen / daß sich die Kammermagd verheuratet: welches geschehen / fügte sich / daß ihre Zeit der Geburt herbey kame / und sie drey Kinder zugleich auff die Welt brachte. Hierüber eifferte die Frau von Beauville noch mehr / und sagte / daß ihr Herr müsse darzu geholffen haben: GOtt aber verhengte / daß sie neun Töchter gebare / und doch wol wüste / daß ihr Herr allein darzu Vatter; deßwegen sie auch acht darvon zu ersäuffen befohlen.

3. Der Herr von Beauville kame von der Jagt und begegnet die Amme / welche die Kinder versäncken solte / nimmt sie alle / und lässet sie heimlich erziehen / und alle mit einem Namen Burgua nennen / wie auch die neunte geheissen. Nach deme sie nun erwachsen / hat sie der Vatter alle neune gleich kleiden / und in ein Zimmer sperren lassen / seine und seiner Gemahlin Freunde zu Gast gebetten / und dem Weib befohlen / sie soll die Tochter Burgua holen / welches sie thun wollen / aber an einer Tochter statt alle neune gleicher Grösse / Kleidung und Namens gesunden / solche auch für ihre Kinder erkennen / und ihren falschen Wahn von der gewesenen Kammermagd bekennen müssen. Dieses Inhalts erzehlet solche Geschicht M.L. Jaubert im 3. Buch von den gemeinen Fehlern.

4. Picus Graff von Mirandula schreibet / daß eine Teutsche Frau / auff zweymal XX. Kinder geboren: das erste mal XII. und habe ihren Leib in einem Band tragen müssen / das andremal habe sie VIII. zur Welt gebracht.

5. Martin Kromer erzehlet in seinen Polnischen Geschichten / daß eine Gräfin von Vierbossas in Krakau / 36. Kinder zu der Welt geboren / weren aber alle sehr unvollkommen gewesen / und bald gestorben.[133]

6. Eines Haubenmachers Weib zu Paris zeugte fünff Söhne auf einmahl / unter welchen der Mittlere allein im Leben geblieben.

7. Bey Chanbelay in Franckreich ist ein altes Geschlecht / die Maldemere genant / dessen Weiber eine das erste Jahr 2. Kinder / das andre Jahr 3 / das dritte 4 / das vierte 5 / das fůnffte Jahr 6. Kinder zur Welt geboren / und an der Geburt sterben müssen. Eines von den letzten sechsen ist noch in dem Leben / und wird genennet von dem Stammhauß / der Herr von Maldemere. Pareus im 24. Buch am 5. cap.

8. Avicenna schreibet in seinen 9. Buch / daß ein Weib 70. vollkommene / aber gar kleine Kinder zu der Welt geboren / und Plinius / daß eine arme Frau zu Rom auf viermal 20. Kinder geboren / darunter die meisten das Männliche Alter erlanget.

9. Was man von der Gräfin in Holland saget / daß sie so viel Kinder geboren / als Tage in dem Jahre sind ist eine Lügen etlicher Mönichen / welchen es der Orten gar genau gegangen / unnd sich bey dieser erdichten Geschichte sehr wol befunden / massen solches in einem geschriebenen Holländischen Jahrbuche ümständig zu lesen.

10. Die Empfängniß und Geburt deß Menschen ist durchgehend wunderbar. Ins gemein wird ein Kind allein auff die Welt geboren: welches länger in Mutterleib verbleibet / als die Thiere / weil es ein viel vollkommeners Wesen / darzu längere Zeit erfordert wird / und die Thiere werden in mehrerer Anzahl gebohren / weil sie den Menschen zur Speise gegeben / und zu andren Diensten gewidmet sind.

11. Es sind aber in der Mutter weiblichen Leibes nit mehr als zwey Behaltnissen / eine zu der lincken / die andre zu der rechten Hande / dz Weib hat nur 2. Brüste / da die Thiere selber vielmehr haben / mehr Jungen zu nehren / daraus zu schliessen / daß über 2. Kinder von einem Weib nit geboren werden / es seye dann daß solches geschehe aus besondrer Beschaffenheit der Mutter / welche gewisse Behaltnissen haben muß / wie die Thiere / oder der Frucht / die so viel kleiner und unvollkommener /[134] oder von der Einbildung deß Weibs / und deß überflüssigen Samen deß Mannes / oder andren natürlichen Ursachen / welche allhie nicht alle anzuführen.

12. Es ist aber leichtlich zu ermessen / daß solche vielfältige Kinder nit zu einer Zeit in Mutterleib empfangen werden / sondern wie die Zwillinge / bald nacheinander / massen sonsten sie gleiche Kräfften und reiches Wachsthum und die Zeitigung zu gleicher Zeit nit haben könten. Bey den Zwillingen liegen die gleiches Geschlechts in einen Bälglein abgesondert / und die Knäblein auff der rechten / die Mägdlein auff der linken Hande. Wann nun die Geburt gezeitiget / und an das Liecht begehret / so hanget sie mit dem Nabel als dem Mittelpunct deß Lastes / und weil der Kopff am schwersten / dringt er erstlich hervor. Hierauß ist zu erachten / daß die Nahrung / welche ihrer vielen zugleich zugehen soll / nicht gnugsam / sondern nur eine schwache und kleine Frucht ernehren kan.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 132-135.
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