(CLXXXI.)
Der bestraffte Vndanck.

[303] Gott vergleichet1 der Menschen Undanck mit einem Weinberg / der wol gebauet / betünget und mit edlen Fesern beleget / Härlinge und ungeschlachte saure Trauben getragen; ja die undanckbaren Menschen sind ärger als die Ochsen / Pferde und Hunde2 / welche ihre wolthätige Herren kennen / und zu demselben eilen / da im Gegenstand wir Menschen täglich viel tausend Wolthaten empfangen / und vermeinen / Gott seye uns solches alles schuldig / und mißbrauchen also seiner Gnaden schändlich / Seneca sagte / daß der Undanck ein Haubtlaster / unn alle andre unter sich habe / unn wird dz Unglück von den Hause deß Undanckbaren nit weichen.

2. Eine solche undanckbare Dirne war Platonia / eine Jungfrau / welche alle ihre Schönheit in dem Kram / ich wil sagen in dem Angesicht / und keine in dem Gewölb / verstehe in dem Verstand. Sie war stoltz und hochmütig / wie solche Leute zu seyn pflegen / die sich für sterbliche Göttinnen halten. Zu deme war sie sehr reich / und dieses war der süßste Zucker in der Suppen / deßwegen sie viel Auffwarter hatte.

3. Unter allen aber die sich angaben / ertheilte sie fast gleiche Verachtung / und machte sich wegen ihrer Unhöfligkeit so verhaßt / als sie wegen andrer Gaben liebwürdig war. Der Adel auf dem Lande war ihr zu bäurisch / und hatte sie in Paris / da sie zweymal mit ihrer Mutter gewesen / so schöne Leute gesehen / die mit ihrem Sinne mehr Vergleichung hatten / als ihre Landsleute.

4. Der Stoltz ist bey Gott und Menschen verhast / und die sich selbst erhöhen / kan er leichtlich erniedrigen / daß sie ihre Hoheit mit dem Abfall ermessen. Unter dieser Platonia Leibdienern und unbesoldten Knechten waren die fleissigsten Gontran und Satur / und hatten diese beede gar unterschiedene Wege angetretten / zu ihrem Zwecke zu gelangen / wie wir erzehlen wollen.

5. Gontran war ein Soldat gewesen / und wolte alles mit Gewalt durchdrucken / als ob seine Liebe mit Gegenliebe belohnet[304] werden müste / und daß er mit seinem starcken Arm diese Beute / trutz allen andern / darvon bringen wolte. Satur hingegen war demütig / freundlich und höflich / und bemůhte sich diesen Marmel mit bittern Threnen zu erweichen. Platonia haste jenen / als einen brüllenden Löwen / und verachtete diesen als einen einfältigen Hasen.

6. Dieser stoltzen Schönheit Freunde wehlen ihr Sosipater einen reichen / aber in dem Angesicht fast häßlichen Edelmann / daß sie für ihn ein Abscheu / und so oft er mit ihr Sprach halten wolte / hat sie ihm den Rucken zugewendet / daß sie also zu solcher Heurat nicht verstehen wollen. Alle andre werden abgeschaffet / und dieser bleibet allein der Haan in dem Korb / und ob ihr wol keiner unter den vorigen beliebet / so hat ihr doch nie keiner so mißfallen / als Sosipater.

7. Gontran wolte rasend werden / daß ein andrer seine Liebste darvon bringen solte. Er dencket auf Raht / und findet / daß / wann er sich auch mit Sosipater schlüge / die Jungfer deßwegen noch nicht sein seyn würde: deßwegen dencket er sie mit Gewalt zu entführen / und würden die Freunde zu geschehenen Sachen das beste wol reden / und froh seyn müssen / daß sie noch so ehrlich verheuratet würde. Diesen Anschlag zu vollziehen / ermangleten ihm keine Mittel; Er hatte Freunde / Diener / Pferde / Kutschen / Geld / etc.

8. Nach ersehener Gelegenheit führte Gontran die Platoniam / als sie in einen Garten spatzieret / hinweg / und nahme seine Zuflucht zu einem Edelmann / der auf etliche Meile darvon seinen Sitz hatte / Satur erfähret solches von der Platonia entfluchten Dienerin / und jaget Gontran mit etlichen Soldaten nach / daß er jn noch unter Wegs / in einen da sie gefüttert / begegnet / und den lieben Raub ohne Nachtheil abjaget.

9. Dieses getreugelaisten Dienstes wegen wurde Satur von der undanckbaren Platonia nicht freundlicher angesehen / und Sosipater begehrte die Waare nicht / welche in seiner zweyen Feinde Hände herum gefahren / sagend / daß die Schafe in deß Wolffes Rachen und in deß Schäfers Händen /[305] der sie errettet / gedultig zu seyn pflegten; mit diesem treheten sich auch noch viel andre von ihren Diensten ab / und wolten lieber in eine danckbare Erden säen / als auf so unartig und ungeschlachten Boden.

10. Satur sahe / daß bey dieser Platonia Mühe und Zeit verlohren / so gar / daß sie ihm auch die gethane Rettung mit Worten zu dancken nicht gewürdiget deßwegen wil er seine Gedult nit länger mißbrauchen lassen / und nimmet Krieges-Dienste an / durch Tapfferkeit mehr Ehre zu erwerben / als bey Frauenzimmer / und Hofdiensten nit zu erlangen. Kurtze Zeit hernach lässet er ihr zu Ohren bringen / daß er in einem Scharmützel verwundet / und in sie verliebt gestorben wäre. Die Soldaten / welche Satur mit dieser Zeitung angestellet / berichten zurucke / daß Platonia ihr Unrecht erkennet / seinen Tod und ihren Undanck bereuet / und sich in ein Kloster begeben / ihr Leben darinnen zuzubringen willens.

11. Hierauff kehret Satur wieder nach Hause / und Platonia aus dem Kloster / sich mit dem von Todten wieder erstandnen mit Einwilligung und Gutbefindung ihrer Freunde zu heyraten. Gontran aber / der wegen seines gewaltthätigen Frevels abwesend verurtheilt worden / befedet Satur / weil er wuste / daß Platonia mit ihm verlobet war / und konte dieser Hochzetter die Raise nit abschlagen / weil er ein Soldat / und die gröste Unehre darvon haben würde. Was geschihet aber? Gontrans ungerechte Waffen überwinden die gerechte Sache / und Satur bleibet auf dem Platz verwundet / daß er nach wenig Stunden den Geist aufgeben.

12. Hierüber betrübte sich Platonia / daß sie sich zu Bette legte / und darvon / wegen andrer Zufälle nit mehr aufstünde / ihr Leben mit vielen Klagworten / wegen verübten Stoltzes endend / und konte doch nit mehr Mittel finden / die begangene Fehler zurucke zu nehmen / oder zu erstatten. In werender Kranckheit schwebte ihr für Augen der sterbende Satur / welcher sie als eine Todschlägerin anklagte / und sie forderte für den Richterstul Christi / hierüber wolte sie sich auch nicht trösten[306] lassen / und ist in solcher Verzweiflung gestorben. Ach daß die Menschen so eiferig nach dem Ewigen / als nach dem Zeitlichen trachteten!

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Es. 5.

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Es. 1. 3.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 303-307.
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