(CXC.)
Die beständige Keuschheit.

[333] Die Schönheit ist ein Stein deß Anstosses / welcher nit den Blinden / sondern den Sehenden gesetzet ist / dergestalt / daß die bösen ein böses Urtheil darvon fällen / und sich an solcher Gabe Gottes ärgern / oder zu bösen und sündlichen Begierden verleiten lassen. Wie übel urtheilte Holofernes von der holdseligen Judith / daß er vermeinte / man solte wegen der schönen Israelitischen Weiber einen Krieg anfangen? Wie übel urtheilten die alten Richter von der Susanna / und Potiphars Weib von dem schönen Jüngling Joseph? Also vermeinen ihrer noch viel / daß schöne Jungfrauen nicht können fromm bleiben / da doch ihrer viel lieber sterben wollen / als den Schatz ihrer Keuschheit verlieren / wie wir hiervon noch etliche Exempel anführen.

2. In Sicilien pflegen die Türcken vielmals einzufallen / und mit Raub und Brand grossen Schaden zu thun. Vor 50. Jahren haben die Galeren von Biserta einen Anschlag gemachet / auf einen Marckflecken / unferne von Palermo gelegen / denselben überrumpelt / und viel Christen in Dienstfessel geschlagen. Diese Knechtschaft / welche dem Herrn allen Gewalt giebet / ist bey den Mannsperson Elend bey[333] den Weibspersonen aber zu erbarmen / und könen sie sich der Barbern Unkeuschheit nicht entschütten.

3. Valeria eine Jungfrau befande sich unter den Gefangenen / und gefiele den geilen Hengsten besser / als aller andrer Raub: sie hätte sich alsobald ermordet / oder in das Meer gestürtzet / wann sie sich nit für dem ewigen Tod gefürchtet / in dem sie den zeitlichen / von diesen Unmenschen zu erbitten / nicht trauen dörffen; Hat sich deßwegen auf eine List bedacht / welche sie vor Zeiten von andern erzehlen hören.

4. Der Haubtmann auf der Galere behielte diese Valeriam für sich / und stellte sich sehr freundlich / deßgleichen sie auch gegen ihm thun muste / damit sie in das Werck richten konte / was sie fürgenommen. Zu Belohnung der Liebe (sagte sie) welche ihr mit mir Unwürdigen erweiset / wil ich euch eine Kunst lehren / daß ihr für Schüssen befreyet / und euch keine Kugel schaden kan. Der Türcke verhoffte hierdurch hoch anzukommen / und bate sie auf das höflichste / sie möchte ihm doch diese Kunst mittheilen / er wolte sie ehelichen / und nicht mehr als eine leibeigene Magd halten.

5. Valeria sagte / daß sie nur diese Gnade bitte / er solle sie nicht ferners verkauffen / heischte Federn und Pappier / machte darauff wunderliche Zeichen / schriebe etliche unbekante Wörter / zoge das Pappier durch einen Rauch / mit verstelltem Angesicht und unvernehmlichen Gemürmel / und bande das Zettlein ihrem Herrn an den lincken Arm / auf die blosse Haut. Wol / sagt der Türck / wie kan ich mich dieser Kunst versichern? Sie sagte / daß sie die Prob an ihren Brüdern gesehen / und wölle sie den Zettel anbinden / und er soll auf sie schiessen / so werde er sehen / daß die Kugel für ihre Füsse zu der Erden fallen müssen / und sie nicht verletzen könne.

6. Der Türck bindet ihr das Brieflein an den Arm / und (nach deme sie sich Gott befohlen) heist sie ihn das Rohr loß trucken / und zwar wider ihre Brust / und hierdurch erlangte sie den verlangten Tod / und wolte lieber das Leben / als ihre Ehre verlieren. Es ist nicht zu zweiffeln / daß die Heldenthat[334] GOtt gefällig / und bey der Nachwelte růhmlich; massen dorten Pineas / weil er die Hurenleute durchstochen / von GOtt mit dem Priesterthum begnadet worden: Darff man nun einen Todschlag begehen / die Unzucht zu bestraffen; Warum solte solches nicht verlaubet seyn / die Keuschheit seiner Person zu retten? Doch waltet hierbey noch ein Zweiffel / in dem sie ihr Ehre sonder Einwilligung / samt dem Leben erhalten können.

7. Sicherer und weniger gefährlich war das lustige Mittel / welches ein ehrliches Weib gegen einen verliebten Fürsten glücklich zu Wercke gerichtet. Sie wurde mit Beschenckungen / wider ihren Willen begabet / mit guten Worten gelocket / und endlich bey der Nacht mit Gewalt entführet / daß noch flehen noch bitten helffen wolte. Sie sahe sich in ihres mächtigen Oberherrn Gewaltsamkeit / der ihr einen getrewen Underthanen in ihren Garten pflantzen wolte / massen er vielen andern seinen Hintersässinen gethan hatte.

8. In dieser Noth giebt sie gute Worte / und bittet nur ein wenig beseits zu gehen / welches ihr verstattet wurde / da sie dann alsobald sich mit einer Kueffen oder Stecknadel wund geritzet / und sie gantz blutig gemachet; als sie nun wieder kommen / und von dem Fürsten zur Ungebühr angestrenget wurde / sagte sie / wie die Rachel zu Laban / es gehe ihr nach der Weiber weise. Der Fürst wolte es nicht glauben; so bald er aber die Blutzeichen sahe / hatte er einen Abscheu / und liesse sie ihres Weges gehen.

9. Viel gefährlicher hat sich gerettet Cordula / eine Bürgerstochter in Stuckart / als eines Obersten Wachmeisters Regiment / der Orten gelegen / und sie von etlichen Befehlhabern nothgezüchtigt werden wolte / hat sie gesagt / daß sie lieber zu dem Fenster hinauß springen wolle / als solcher Gestalt verunehret werden. Die Soldaten vermeinten / daß sie ja so thörigt nicht seyn würde / und sagten mit diesen Worten: spring hinauß du Hut / wann du das Hertz hast!

10. Euch zu weisen / antwortete sie / daß ich keine Hut bin /[335] so wil ich hinauß springen / und mit dem Wort stürtzte sie sich zween Gaden hoch herab / doch in dieser gerechten Sache / sehr unglücklich / weil sie die zween Schenckel zubrache / und hernach von den Wundärtzten wieder geheilet wurde. Diese Cordula lebet noch / und ist hernach an einen ehrlichen Burger verheyratet worden.

11. Als man an dem Fürstlichen Pomerischen Hof / von einer Kammermagd redete / daß sie von den Soldaten zu tod geschändet worden / und hierüber die Frage entstunde ob sie auch seelig worden? Haben die Anwesenden einstimmig darvor gehalten / daß sie nicht könne verdammet werden / wann sie ihren Willen nicht darein gegeben / ja sie seye einer Märterin gleich zuachten / nit zwar wegen der Ursachen / sondern wegen der Schmertzen / welche sie außgestanden haben müsse.

12. Andre wolten das Widerspiel bejahen / und daß sie solches als ein Mensch / und nicht als eine Christin außgestanden / zu geschweigen / daß sie solte eine Märterin zu nennen seyn / die nicht wegen deß Worts Gottes gestorben / etc. Doch seye an ihrer Seeligkeit nicht zu zweiffeln / etc. Hierauff sagte eine von den Kammermägden / aus Einfalt: Gott verleihe allen ein so seeliges Ende.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 333-336.
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