(CXCIII.)
Der gifftige Gegengifft.

[343] Als dorten die Propheten-Kinder (2. König. 4/39.) Rancken oder Colochinten gekochet / schrien sie: Der Tod ist in den Töpfen! Welchen Elisa nachgehends gewendet. Dieses begegnet vielen noch in Welschland / daß man unter Speiß unn Getranck Gifft empfähet / daß solcher wider durch Gegengifft vertrieben wird / wie aus nachfolgender Geschichte zu ersehen seyn wird. Es ist aber der Verdacht und das erkühnten solcher That jederzeit für eine genugsame Ursache gehalten worden / die Eheleute zu Tisch und Bette zu scheiden; wann nemlich der Gifft nicht starck genug / oder desselben zu wenig / oder für Gifft gegeben worden / das kein Gifft ist / und also der Vorsatz solcher Mordthat erwiesen worden. Ein solcher unterscheidet den Edlen von den Unedlen nicht / wie in andern Verbrechen / und wird für den ärgsten verrähterischen Todschlag gehalten / so man ersinnen kan.

2. In der Lombardia / da viel treffliche Gifftkünstler zu finden / führten zwey Eheleute Euphelio und Cassandra ein sehr ärgerliches Leben / daß sie die Feindschafft entzweite / welche die Freundschafft verbinden solte. Wie nun GOtt einen Wolgefallen hat / wann sich Eheleute wol miteinander begehen; also ist seiner Majestät ein Greuel / wann sie sich übel betragen / und sich von dem Eheteuffel zu sündlicher Rache verleiten lassen / welche in gleichen Lastern / und gleicher Bestraffung meisten theils bestehet.

3. Die Männer wollen in Liebssachen ihnen eine grosse Freyheit geben / die Weiber aber nehmen ihnen solche / sich an ihren treulosen Ehegatten zu rächen. Als nun Euphelio wegen Cassandra Bulen geschertzet wurde / konte er solchen Spott nit verbergen / und verhebte seinem Weib ihre Ungebühr / mit harten Worten / daß sie leichtlich abnehmen konte / er würde nicht unterlassen sich in der That an ihr zu rächen.

4. Solchem nun vorzukommen / kochte sie ihrem Mann ein Süplein / welches sie zu einer Wittib machen solte / und mit einem andern Mann / dem sie / in Hoffnung guter Würckung / die Ehe versprochen / bald hernach erfreuen würde. Dieses war[344] ein Gifft / der langsam seine Würckung thun / und den Euphelio außdorren machte / deßwegen er wähnte / daß diese seine Schwachheit von seiner Xantippe herkommen müsste / und war bedacht / sich für seinem Tod zu rächen.

5. Als nun der Gifft nit würcken wolte / bringt die Cassandra ihrem Manne noch einen stärckern von Spießglaß bey / welches sonders Zweiffel ihn in das Grab geworffen / wann es nicht mit dem ersten Gifft zu streiten gefunden / und eines mit dem andern brechen gemacht / darzu dieser Mann von Natur geneiget war; da es dann nach dem Sprichwort heisst / Böses / muß man mit Bösem vertreiben.

6. Hier wurde Euphelio in seinen Wahn bestättiget / und so bald er wieder zu Kräfften kommen / setzte er seinen leichtsinnigen Weibe den Stillet an die Gurgel / unn machte sie die Warheit bekennen / mit versprechen / er wolle sie nit straffen / wie sie wol verdienet. Dieses hielte er auch / nach gethanem Bekantnis / und übergabe sie der Obrigkeit / mit ihr rechtlich zu verfahren.

7. In dem Gefängnis wachte ihr das Gewissen auf / daß sie sonder Marter den gantzen Verlauff bekennete / deßwegen sie mit glüenden Zangen gezwicket worden / und durch deß Henckers Schwert das Haubt verlieren müssen. Der hinterlassne Wittber erfreuet sich zwar / daß er seines Ehe- und Ehrvergessnen Weibes erlediget / hatte aber nicht viel gesunder Stunden / daß also die Straffe bey diesem ehebrecherischen Geschlecht nicht außgeblieben.

8. Zu Ersetzung dieser Geschichte / wollen wir etliches von dem Gifft / aus der Naturkündigung anfügen. Es wird aber unter dem Namen deß Giffts verstanden / alles was zu Bekränckung und Verkürtzung deß menschlichen Lebens erfunden worden / als da sind die Gehirne etlicher Thiere / die rasend machen / aber nicht tödten. Doch tödet auch etliches / das doch kein Gifft ist / als das Vinedische Glas / etliche Kräuter der Zauberinnen und die Liebs-Geträncke.

9. Eigentlich ist das Wort Gifft zu verstehen / von allen den Kräutern / Gesämen / Säfften und Wurtzeln / welche die natürliche Lebenshitze außleschen / wegen ihrer grossen[345] Kälte / die sie theils verborgener Weise führen. Etliche trocknen aus / und dieser Giffte Würckung ist langsam / wie wir vor gemeldet. Das Spießglas kan auch mit seinem Feuer / wann es zubereitet ist / das Geblůt erhitzen / und das Hertz gleichsam verbrennen.

10. Etliche Sachen sind von Natur vergifftet / als die Wolffswurtz / Schirling / deßwegen Wüterich genennet / (Cicura) etliche werden von der Kunst zu Gifft gemacht / als Scheidwasser / Muckenpulver / etc. Etliches gräbet man aus den Bergen / als Quecksilber / Spießglas / etc. etliches nimmet man von den Thieren / als von Schlangen / Ottern / etc. etliches verletzet durch den Mund / etliches durch äusserliche Verwundung / als der Biß eines rasenden Hundes / das Stechen einer Schlangen oder Scorpions / etc. Hierzu könte man setzen den vergifften Lufft / das ungesunde Wasser / etc. welches alles eine gifftige Art an sich hat / und ist kein Sinn / dardurch man den Menschen nicht solte Gifft beybringen können.

11. Hier ist auch eine Frag: ob die Thiere / welche vergiffte Kräuter essen / als Krohen und Staren / die deß Stirlings geniessen / ohne Gefahr können genossen werden? wiederum: Ob die mit gifftigen Pfeilen verwundte Thiere zu der Speise zu gebrauchen? Die Artzneyverständige sind hierinnen nit einer Meinung / und ist ausser allem Zweiffel / daß wann das Thier nach der Verwundung gelebet / daß der Gifft alles Geblüt durch kriechen können / solches in grosser Anzahl geessen / eine gefährliche Kranckheit verursachen könne / wann sonderlich der Leib mit böser Feuchtigkeit angefüllet ist. Auf die erste Frage ist mit Nein zu antworten / dann der Gifft / welcher einem Thier nicht schadet / kan noch weniger schaden / wann er zu seiner Nahrung wird / und dem Menschen zu der Speise dienet: Gleich wie man sich auch deß Giffts zu der Artzney heilsamlich gebrauchet.

12. Die Anzeichen eines empfangenen Giffts ist ein kalter Schweiß auf einer erhitzten Brust / benebens einem reissen[346] in dem Leibe / ein schwerer Odem / der Durchbruch / das Brechen / bleiche Nägel / eine aufgeschwollen Zunge / und dieses alles kommet schnell / und überfällt den Krancken. Zu Zeiten schlagen darzu die Abkräfften / das Fleisch / das beben deß Hertzens / etc. Nach dem Tod wird der Leichnam alsobald gelb / und nach wenig Stunden gantz schwartz / die Haar fallen auß / die Nägel erweichen / das Hertz kan nit verbrennet werden / weil der kalte Gifft dem Feuer widerstehet / auf dem Munde schwebet bald nach dem Tod ein Schaum / und ein böser Gestanck gehet von dem gantzen Leib. Wann auch ein solcher vergiffter Cörper auf der Strassen liegen verbleibet / begehren noch Vögel / noch andre Thiere darvon zu geniessen / wegen der schnellen Fäulung und deß Gestancks.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 343-347.
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