6. An einen Geitzigen.

[373] Wolfürnehmer (der alles für andern hinweg nimt) Herr. Eure Kranckheit (der Geitz ist eine Haubtkranckheit / welche stetig Sorg und Kopfweh machet) haben alle Arme nicht gerne vernommen / von welcher Schweiß ihr Pflaster über eure Schmertzen machet. Andre Kranckheiten pflegen ins gemein von einem bösen Magen zu kommen / ihr aber habt die Tugend eines guten Magens / der nichts wieder[373] giebt / was er zu sich genommen. Die Geld- und Wassersucht verursacht euch einen beharrlichen Durst / daß ihr euch mit Reichthum nicht ersättigen könnet / und werdet euch noch zu Tod nehmen; Ich sage nit ersättigen / dann viel ůber viel ist euch zu wenig / und wann ihr die gantze Welt hättet / so werdet ihr doch nicht vergnüget / man gebe euch dann noch 25. Gulden darzu. Was nutzt euch aber der schändliche Mammon? Ihr habt Kisten und Kästen voll / aber der Teuffel hat den Schlůssel darzu. Das Geld ist ja so sorgenreich / und muß man an das man hat / und an das man zu bekommen verhofft und verlangt / beharlich gedencken / so gar / daß ihr eurem Gewissen kein Gehör geben wolt / ob es sich gleich offt darum anmeldet. Ihr suchet also den Himmel in dem Koht / und müssen die kleinen Fischlein die Hechte groß machen / und seyd ihr wie der Fuchs / in der Fabel / welcher lieber den grossen Schwantz nach sich ziehen / als dem Affen ein Härlein darvon geben wollen / seine blöse zu bedecken / und sagt hiervon recht das Sprichwort: Wer den Schinder ein Bein an dem Aas hält / der scheuet sich nit / das Messer selbst in die Hand zu nehmen / und nachzuschneiden. Mein Herr / seyd doch euer Herr / und nicht deß Mammons Knecht / werffet von euch den Strang der Seelen: Dann in dem ihr eurem Reichthum mehr vertraut / als Gott / werdet ihr so arg als der Teuffel / welcher wie ihr / niemand gutes thut / noch thun kan / weil er ein Patriarch ist aller Bösen. Die der Satan also angefesselt / wie euch / kan man mit Warheit Gottloß nennen / dann sie bestehen nicht in der Versuchung / sondern fallen für dem Versucher nieder / wann er ihnen die Güter dieser Welt weiset / und zu geben verspricht. Die Kühe / welche die Philister an die Lade deß Bundes gespannet / waren kluger / als die Geitzigen zu seyn pflegen: Sie verliessen ihre säugende Kälber GOtt zu dienen / und waren ihrem Schöpffer gehorsam / die Reichen aber wollen deß Teuffels Laden nicht von ihrem Hause lassen. Ja sie saugen sich selbsten auß / und thun ihrem Leib nichts gutes / den sie sehen / wie solten sie[374] dann der Seelen guts thun / die sie nit sehen. Zu dem kurtzen Weg / welchen ihr noch zu leben habt / nehmt ihr einen gar zu grossen Zehrpfennig / und müsst ihn endlich lachenden Erben lassen; oder wolt Allmosen darvon geben / wann nicht ein Heller mehr euer ist. Der Reichthum ist die Kron der Weisen / sagt Salomo / aber solcher Reichthum muß von Gottes Segen / und nit von dem Wucher / welcher wie die prinner Karten 6. 18. und 7. 21. gelten machet / herkommen / und zu Gottes Ehren gebrauchet werden / sonsten wird aus der Kron ein Höllischer Pechkrantz. Aus diesem werdet ihr meine Meinung / von eurem Leben und Wandel genugsam verstanden haben. Schliesse hiermit / und bitte / ihr wollet mir verzeihen / daß ich nicht schöner schreibe; Zu einem solchen Gemähl gebraucht man solche Farben. Gott mit uns / dann mit euch wird er schwerlich seyn / biß er mit Zacheo das unrechte Gut wieder gebet.


Euer

Williger Freund N.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 373-375.
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