Erste Szene

[207] DER RANGÄLTESTE HAUPTMANN klopft, ohne sich zu erheben, mit dem Messer ans Glas. Die Unterhaltung verstummt sehr schnell. Meine Herren, Herr Leutnant von Marschall bittet einen Augenblick um Gehör.

VON MARSCHALL erhebt sich, indem er den Klemmer abnimmt. Ja, meine Herrn ... also ... wie Sie wissen, soll auf unserem diesjährigen Fastnachtsball, den wir auf den kommenden Rosenmontag angesetzt haben, ein ... wie soll ich sagen ... ein kleines Bühnenweihfestspiel stattfinden. Der »Handschuh« von Schiller! Es haben sich bereits einige Herrn in der liebenswürdigsten[207] Weise bereit erklärt, ihre Kunst in den Dienst der Sache zu stellen. Die Rollen der Tiere sind in den besten Händen – Er liest von einem Zettel. Zwei Leoparden – die beiden Herrn von Ramberg.


Peter und Paul von Ramberg die hinten an der rechtsseitigen Tafel sitzen, erheben sich gleichzeitig ein wenig von den Sitzen und verbeugen sich gegen von Marschall. Beifälliges Gelächter.


VON MARSCHALL fortfahrend. Das Tigertier – Herr von Grobitzsch.

VON GROBITZSCH er neben ihm sitzt, will sich ebenfalls erheben.

VON MARSCHALL drückt ihn sanft nieder. Bitte, bitte! – Der Leu – Herr Hauptmann von Itzenplitz.

ALLE. Ah!!

VON MARSCHALL mit gehobener Stimme. Man hat es seiner Frau Gemahlin und deren Frau Mutter bereits schonend mitgeteilt. Ein Einwand ist seitens der Damen nicht erhoben worden.

VERSCHIEDENE. Bravo!

VON MARSCHALL. Auch die Jungfrau Kunigund ist bereits in festen Händen.

MORITZ DIESTERBEG. Oho! Namen nennen!

VON MARSCHALL. Der Herr wünscht nicht genannt zu werden. Benno von Klewitz rückt sich den Halskragen zurecht. Lächeln. Das Festkomitee, meine Herrn, befindet sich überhaupt nur noch in Verlegenheit in bezug auf einige bessere »Damen im schönen Kranz«. Und da möchte ich vor allem an die jüngeren Herrn Leutnants, soweit es ihnen ihre Barbierverhältnisse noch gestatten – Zwischenrufe. Lachen. – die Bitte richten, gütigst mitzutun. Vielleicht sind die Herrn, die dazu bereit sind, so freundlich und melden sich nachher bei mir. Er setzt sich, steht aber gleich noch mal auf. Ja, so ... Ich bemerke noch, daß die Kostüme für die Herren Tiere bereits bestellt sind. Die Kostüme für die Damen müßten allerdings von den Herren selbst besorgt werden. Vielleicht haben Sie irgendwelche Beziehungen, die ...


Er wird tumultuarisch unterbrochen. Alle Stimmen durcheinander. Er setzt sich.
[208]

DER RANGÄLTESTE HAUPTMANN erhebt sich. Mit kurzer Verbeugung. Gesegnete Mahlzeit, meine Herrn!


Alles erhebt sich und verbeugt sich, zuerst gegen den rangältesten Hauptmann, sodann untereinander.


DIE FÄHNRICHE UND FAHNENJUNKER schnellen von ihren Stühlen auf und stehen stramm.

DER RANGÄLTESTE HAUPTMANN verläßt in Begleitung mehrerer anderer Offiziere das Kasino. Während die Herren rechts abgehen, setzen sich die übrigen nach und nach wieder. Die Ordonnanzen haben inzwischen brennende Kerzen auf die Tafel gestellt. Mehrere Herren zünden sich Zigarren an. Eine Ordonnanz kommt mit einem Tablett mit Kaffee, eine andere mit einem Tablett Likör. Es wird serviert. Hinter der Ordonnanz mit dem Likör steht eine dritte Ordonnanz mit einem Notizbuch in der Hand und macht sich Notizen.

DIE FÄHNRICHE UND FAHNENJUNKER gehen zunächst hintereinander in die Mitte des Zimmers, stehen stramm vor den an der hinteren Tafel Sitzengebliebenen, sodann vor denen an der linken und schließlich vor denen an der rechten Tafel. Die Offiziere bleiben sitzen und erwidern den Gruß durch freundliches Kopfnicken. Verschiedene grüßen mit. Mahlzeit, Fähnrich. –


Die Fähnriche wenden sich zum Ausgang rechts.


Quelle:
Otto Erich Hartleben: Ausgewählte Werke in drei Bänden. Band 3, Berlin 1913, S. 207-209.
Lizenz:
Kategorien: