Erste Szene

[294] GLAHN geht »mit festem Schritte« in die Mitte der Bühne und nimmt den Handschuh auf.

VON MARSCHALL deklamierend. »Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht –«

GLAHN legt den Paukhandschuh zart vor dem schlafenden Benno auf den Tisch. Laut. »Den Dank, Dame, begehr ich nicht!«

VON MARSCHALL. »Und verläßt sie zur selben Stunde.«[294]

GLAHN macht stramm kehrt und schreitet wieder mit festem Schritt nach rechts wo er sich niederläßt.

BENNO ist aufgewacht und starrt auf den Handschuh. Kolossal!


Er schläft sofort wieder ein.


VON MARSCHALL vom Tisch heruntersteigend. So, meine Herren, ich denke, das genügt!

ALLE mit Ausnahme von Benno und Moritz. Gott Sei Dank!

MORITZ. Lieber Marschall, ich muß doch sehr bitten ... ich kann Ihnen nur noch einmal versichern: der Leu liegt mir nicht. Er liegt mir absolut nicht! Und wenn der Herr Hauptmann von Itzenplitz sich jetzt noch in letzter Stunde darum drücken will, so find ich das unerhört – unerhört.

VON MARSCHALL. Diesterbeg, sein Sie doch friedlich! Sie wissen doch: die Damen des Herrn Hauptmanns! Sie haben schließlich die Befürchtung ausgesprochen, daß eine solche Rolle die natürliche Wildheit des Herrn Hauptmanns wecken und –

MORITZ. Ich bin kein Schmierenschauspieler! Ich kann eine solche wichtige Rolle nicht von heute auf morgen übernehmen. Ich muß Zeit haben, mich hineinzuleben –

PETER der aufgestanden ist. Oller Salonlöwe ...

PAUL gähnend. Ach Moritz, laß doch die Witze ... es am frühen Morgen. Und die Lampen gehen aus.


Er pustet eine nur noch flackernde Petroleumlampe aus.


GLAHN. Also Schluß.

VON MARSCHALL. Halt, meine Herren – bitte noch eia paar Worte! Wenn ich auch von einer nochmaligen Wiederholung absehe, möcht ich mir doch noch kurz einige nötige Bemerkungen erlauben. Er sieht auf einen Zettel. Also. – Der Ritter war korrekt. Glahn verneigt sich. Das Fräulein Kunigund wußte die herzlose Koketterie der gefeierten Hofdame elegant zum Ausdruck zu bringen. –

PETER. Benno, hast du gehört?

MORITZ. Laßt ihn doch schlafen ...[295]

BENNO ohne sich zu rühren. Kolossal ...

VON MARSCHALL. Der Leu –

MORITZ. Wie gesagt ... –

VON MARSCHALL. War ausgezeichnet! Gerade die Tenorlage, lieber Diesterbeg, macht ihr wertes Brüllen eindrucksvoll und majestätisch! Glauben Sie mir das!

MORITZ. Sie schmeicheln. Aber wenn Ihnen mein bescheidenes Können genügt ...

VON MARSCHALL. Ebenso war das Tigertier des Herrn von Grobitzsch von größter Wirkung! Schon die ganze Art des Auftretens und die originelle Auffassung, wie Sie mit dem Schweif einen furchtbaren Reif zu schlagen wissen – wirklich tadellos: mein Kompliment. Von Grobitzsch verneigt sich. Dahingegen ließen die beiden Leoparden – so vortrefflich sie sonst herauskamen – doch einiges an Kampfbegier vermissen. Es wollte mir scheinen, als ob das Tigertier kaum seiner grimmigen Tatzen benötigt hätte, um sie zu beruhigen. Wenn ich also bitten darf: heute abend etwas – ä – raubtiermäßiger, nicht wahr? Wilder!

PETER UND PAUL. Zu Befehl.

VON MARSCHALL. So, meine Herren, das wär wohl alles. Was die Damen im schönen Kranz betrifft, die jetzt noch fehlen – so werden dieselben heute abend jedenfalls durch Toiletten und stummes Spiel leisten, was zu leisten ist. Ich glaube, wir dürfen uns auf sie verlassen.

PETER. Da geht schon wieder eine Lampe aus. Beleuchtung wird hoffentlich heute abend glänzender sein.

VON MARSCHALL. Ja, ich konnte die Ordonnanzen für diesen »Nachtdienst« nicht mobilisieren. Und nun, meine Herren, wolln wir zu Bette gehen, was? Allgemeines Gelächter. Hohngelächter der Hölle... Er sieht nach der Uhr. Allerdings schon gleich halb Sechs. Na, immer noch 'ne halbe Stunde. Gute Nacht, meine Herren.[296]

ALLE mit Ausnahme Bennos, der weiterschläft. Guten Morgen ... Morgen ...

VON MARSCHALL rechts ab.


Quelle:
Otto Erich Hartleben: Ausgewählte Werke in drei Bänden. Band 3, Berlin 1913, S. 294-297.
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