Siebente Szene

[99] RADIANA nach einer Weile ganz erschüttert und furchtsam. Oh ... nun stehe ich mit Rosen in meinen Händen ... allein ...

BUNTSCHUH geht prüfend um sie herum. Na ja ... ich habe doch meinen Geburtstag heute ...

RADIANA. Nicht wahr ... ja ... eben ...

BUNTSCHUH pfiffig lächelnd. Hihihihi ... ich habe doch meinen Geburtstag heute ... da werden Sie mir doch die Rosen bringen ... da geben Sie mir doch die Rosen her ...

RADIANA. Ich war so erschrocken durch Ihre Rede ... gewiß ... Sie reicht ihm die Rosen. sind die Rosen für Sie ...

BUNTSCHUH pfiffig blinzelnd. Hihihihi ...[99]

RADIANA. Ich kann mich noch gar nicht wieder zu mir finden ... ich hatte mit Ihrer Mutter so freundlich geredet ... jetzt bringe ich gar nichts aus der Kehle heraus ... nicht ein Wort von dem, was ich Herrn Wendelborn ausdrücklich versprochen habe ... ja ... ja ... tausend Wünsche hege ich für Ihr Wohlergehen ... für Ihr arbeitsreiches Leben ... das doch für Hunderttausende von Menschen so kostbar ist ...

BUNTSCHUH. Hihihihi ... natürlich ... ich bin doch ein berühmtes Erfindergenie ... ich bin doch ein angestauntes Erfindergenie ... hihihihi ... und stelle auch einen Mann noch dar, der sich selbst Leute wie einen Philipp Wendelborn halten kann ... hihihihi ...

RADIANA ganz entsetzt. Ach ... ich dachte doch ... Sie wären so demütig ... so bemitleidenswert ... Sie sind jetzt so anders ... Sie sind jetzt so grausam ... Sie sind so gefährlich ...

BUNTSCHUH Radiana immer jäher nahe rückend. Ja ... ja ... ich bin sehr gefährlich ... ich bin sehr gefährlich ...

RADIANA. Oh ... nicht doch ... als ich Sie zum ersten Male sah ... machten Sie einen so rührenden Eindruck ...

BUNTSCHUH schreit plötzlich kläglich zum Himmel. In meiner Armut ... mit meinem Höcker ... mit meinem Scharfsinn ... mit meinem Golde ...


Radiana rennt sinnlos zur Tür.


BUNTSCHUH jäh. Laufen Sie ja nicht ... sonst muß ich in meinem Schmerze noch lauter schreien ...[100]

RADIANA kommt zurück, nähert sich Schritt um Schritt nur Tobias, der noch aufrecht steht. O Gott ... ich bete für Sie ...

BUNTSCHUH fällt jetzt plötzlich auf die Knie nieder. Bettelnd. Hihihihi ... Grasmückchen ... Grasmückchen ... Grasmückchen ...

RADIANA. Herr Buntschuh ... was wollen Sie denn von mir ... wollen Sie mich morden ...

BUNTSCHUH immer kindlich bettelnd. Grasmückchen ... Grasmückchen ... Lottchen ... du sollst mir das eiskalte Herze streicheln ...

RADIANA auf Distanz, in sich kämpfend. Nie ... nie ... nie ... nie ... nein ... ganz gewiß nicht ... ich kam doch nicht deshalb ... ich mag doch mit einem Manne kein Lügenspiel treiben ...


Buntschuh will sich ihr kniend nähern mit ausgestreckten Armen.


RADIANA. Huh ... nein ... ach ... lieber Herr Buntschuh ... Sie dachten doch nicht, ich wäre gekommen, wie Maria zu Jesus, um Ihnen mit Narde die Füße zu salben ... und sie dann mit meinem Haare liebend zu trocknen ... Sie dachten doch nicht, daß ich Sie mehr als bewundern könnte ...

BUNTSCHUH kniet. Frierend. Zähneklappernd, indem er die Worte Radianas nachspricht. Sie dachten doch nicht, ich wäre gekommen wie Maria zu Jesus, um Ihnen mit Narde die Füße zu salben ... und sie dann mit meinem Haare liebend zu trocknen ... Sie dachten doch nicht, daß ich Sie mehr als bewundern könnte ... Er bricht plötzlich in ein sinnloses Gelächter aus. hahahaha ... Dann plötzlich schreit er scharf heraus. gehen Sie ... gehen Sie ... gehen Sie zu dem verfluchten Schmarotzer ... gehen Sie zu dem verfluchten Schmarotzer ...[101]

RADIANA plötzlich sich zusammenraffend, jetzt mutig und stolz. Herr Buntschuh kommen Sie zu sich ... bitte ... kommen Sie zu sich ... wohin meinen Sie, daß ich gehen soll ... wer ist denn dieser verfluchte Schmarotzer ... meinen Sie wirklich Herrn Wendelborn, der Ihr treuester Freund ist ... meinen Sie wirklich, daß ich zu Herrn Wendelborn hingehen könnte, mich ihm an den Hals zu werfen ... ach ... lieber Herr Buntschuh ... ich möchte so gern zu Herrn Wendelborn gehen ... und ihm mein ganzes Leben hinwerfen ... aber ich schwöre Ihnen hoch und teuer ... Herr Wendelborn braucht mein Leben so wenig ... nein, nein ... er hat ja einmal aus mir einen Briefbeschwerer aus Elfenbein und Golde für Sie gemacht ... sonst hat er mich nicht auch nur angesehen ... Herr Wendelborn hat ja so viel schönere Dinge immer zu tun, als sich um ein solches armes, dürftiges Eckerlein noch zu bekümmern ...


Buntschuh hat bei ihren Worten wieder seine herrische stolze Haltung angenommen.

Pause.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 99-102.
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