Zweite Szene

[111] TIEFSEE in einem seltsamen, buntkarrierten, samtenen Schlafrock, samtenem Barett und phantastischen Schlafschuhen, ist unterdessen ungesehen aus der Mitteltür der Schloßfront gekommen. Ein Mann, glattrasiert, total zerfurchten Gesichtes, mit grauen Hängehaaren und einer langen Pfeife. Er geht, Tabaksqualm vor sich her blasend, bis an die Brüstung der Terasse heran. Guckt eine Weile ungesehen dem Tanze zu. Dann. Blödsinn ... nichts ... das ewige Theater ... was Tanz ... und das Flötengequieke ... schert euch ... ich bin allein zu Hause ... ich leide[111] Qual ... ich hasse das Treiben ... für mich brauchts der ewigen Gewalttätigkeiten mit den Leibern ... und den Winselhölzern in diesem Leben durchaus nicht mehr ... das habe ich das Leben lang selber für armselige Heckepfennige praktiziert ... ja ... Deibel och ... fort schert ihr euch ...

DER JUNGE PAN unten. Für den gnädigen Herrn spielen wir doch ... und für seine allergeliebteste, einzige Tochter Lisiska ...

TIEFSEE. Jawohl ... für Herrn Mander ... der Gott sei Dank gar nicht im Schloß ist ...

DER JUNGE PAN. So ... der gnädige Herr ist noch nicht da ... das ist sehr schade ...

TIEFSEE ein großes, seidenes Taschentuch herausziehend, damit abwinkend. Vorwärts ... vorwärts ...


Dann sich schnaubend.


DER JUNGE PAN. Es war ja doch aber gestern Abend ausdrücklich befohlen ... für heute Nachmittag ... genau dreiviertel Stunde vor Ave Maria ...

TIEFSEE. Vorwärts, sag ich ... und mache nicht erst noch ein krummes Maul ... das ist heute geändert ...


Der junge Pan mit der Kinderschar verschwindet unschlüssig wieder in der Tiefe, während sich Tiefsee murrend und mürrisch auf einen der Sessel setzt, eine Zeitung herauszieht und zu lesen beginnt.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 111-112.
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